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Astrid Kaiser

 

06. Dezember 2007   473/07   Wissenschaftliche Veröffentlichung

„Wir müssen die Kinder ermutigen“
Astrid Kaiser über die Aufgabe der Pädagogik in „Katastrophenzeiten“

Oldenburg. Prof. Dr. Astrid Kaiser, Hochschullehrerin für Didaktik des Sachunterrichts an der Universität Oldenburg, hat kürzlich ein Buch mit dem Titel „Menschenbildung in Katastrophenzeiten“ veröffentlicht.* Die Pädagogin nimmt zu dem Thema in einem Interview Stellung.

FRAGE: Frau Kaiser, Sie sagen, die heutigen Umweltprobleme sind von Menschen gemachte Katastrophen …
KAISER: Ja, und das bedeutet, wir Menschen können auch etwas verändern. Wir können entscheiden, ob wir uns nur an Profit und Wachstum orientieren wollen oder ob wir den Kriterien Nachhaltigkeit und Fürsorglichkeit mehr Raum verschaffen.
FRAGE: Junge Menschen interessieren sich besonders stark für Umweltfragen …
KAISER: Wir wissen, dass gerade Grundschulkinder von Umweltproblemen und –katastrophen emotional betroffen sind. Andererseits ist dieses emotionale Beteiligtsein Voraussetzung für Engagement, für Zukunftsdenken. Es ist sozusagen das Potenzial, auf dem wir aufbauen können. Wir müssen dafür sorgen, dass den Kindern nicht Hoffungslosigkeit und Resignation entgegenschlägt, sondern dass sie ermutigt werden, sich für diese Welt, die ja unserer aller Welt ist, einzusetzen.
FRAGE: Warum nimmt Schule diese Thematik nicht genügend auf?
KAISER: Zum einen sind Lehrerinnen und Lehrer zurzeit durch ein Übermaß an Bürokratie sehr überfordert. Sie müssen diesen Bericht machen oder jene Statistik abliefern oder sich auf die Schulinspektion vorbereiten. Der andere Grund: Umweltfragen sind in den Curricula kaum präsent. Es gibt eine aktuelle Untersuchung, wonach die Energiethematik in schulischen Lehrplänen und auch in universitären Curricula faktisch nicht vorkommt. Obwohl es immer heißt, dass auch die Alltagssituation von Kindern ihren Niederschlag im Unterricht finden soll. Und der dritte Grund: Wenn tatsächlich einmal Umweltfragen behandelt werden, dann zumeist als einzelfachliches Element, z.B. Wetter und Klimaveränderung im Physikunterricht. Aber das Thema hat ja viele Aspekte, nicht nur fachwissenschaftliche, d.h. es muss fächerübergreifend behandelt werden. Es geht darum, dass wir die Kinder mit dem, was sie bewegt, ernst nehmen.
FRAGE: Was heißt das konkret?
KAISER: Ich plädiere dafür, dass wir ein stärkeres Erziehungsklima in der Schule schaffen. Wir müssen z.B. dafür sorgen, dass einzelne Kinder nicht ausgegrenzt werden. Schon mit einem gemeinsamen Kochprojekt, etwa Apfelmus machen, ist viel zu erreichen. Das hat eine ökologische Komponente, weil die Kinder lernen, z.B. Fallobst – das viele Menschen heutzutage gar nicht mehr essen – zu verwerten. Außerdem hat jedes Kind eine Aufgabe und übernimmt Verantwortung. Es geht darum, dass die Kinder spüren: Wir sind Menschen auf einer Welt und wir müssen zusammenhalten.
FRAGE: Lernziel Solidarität?
KAISER: Ja, es geht ganz zentral um Selbst- und Mitbestimmung wie auch Solidaritätsfähigkeit. Es hilft nichts, isoliertes Fach- und Formelwissen einzupauken, das, wie man durch Untersuchungen weiß, nach kurzer Zeit wieder vergessen ist. Nichts gegen Fachwissen, aber Lernen wird viel nachhaltiger, wenn es über Motivation, die bei der Persönlichkeit der Schüler ansetzt, vermittelt wird.
FRAGE: Das gilt ja ganz besonders für künftige Lehrerinnen und Lehrer.
KAISER: Ja. Ein Beispiel: Eine Gruppe von Lehramtsstudierenden wollte sich im Praktikum nicht gerne mit dem Thema Erneuerbare Energien befassen, das sei zu schwierig. Dann hat aber die Lehrerin erzählt, wie aufgeschlossen und interessiert die Kinder auf das Thema reagierten und ein Foto gezeigt, auf dem strahlende Kinder vor dem Zähler der Solaranlage der Schule stehen und sich freuen, wie viel Strom damit wieder produziert worden ist. Das Ergebnis war, dass die Studierenden sich fachkundig gemacht haben, d. h sich richtig hartes Physikwissen angeeignet und anspruchsvolle, aber auch kindgerechte Versuchsgeräte aufgebaut haben.
FRAGE: Sie selbst sind grundsätzlich eher optimistisch als pessimistisch eingestellt …
KAISER: Das stimmt, ich resigniere nie. Und ich bin von zuhause aus sehr ökologisch geprägt. Meine Mutter war die größte Ökologin, die man sich vorstellen kann. Sie hat alles selbst erwirtschaftet und gar nichts verkommen lassen. Das war ein einziger Kreislauf, alles wurde der Natur wieder zugeführt – einschließlich der Knochen unserer Hühner. Als in unserm Dorf die Mülltonne eingeführt wurde, hat meine Mutter dagegen protestiert, weil sie sagte: Ein Mensch, der vernünftig wirtschaftet, macht keinen Müll.
* Astrid Kaiser, Menschenbildung in Katastrophenzeiten, ISBN 978-3-8340-0225-9, 18,00 Euro, Verlag Hohengehren

ⓘ www.uni-oldenburg.de/fk1/instpaed/astrid.kaiser/
 
ⓚ Kontakt:
Prof. Dr. Astrid Kaiser, Institut für Pädagogik, Tel.: 0441/798-2032,
E-Mail: astrid.kaiser(Klammeraffe)uni-oldenburg.de
 
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