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"Konzeptionell überzeugende Lösungen - trotz erbarmungswürdiger Not"

Thomas Breisig und Holger Reinisch* über die Evaluation des Fachbereichs 4 Wirtschafts- und Rechtswissenschaften

Externe Gutachter bescheinigen dem Fachbereich 4 Problemlösungs- und Innovationsfähigkeiten. Verlauf, Ergebnisse und Perspektiven der Evaluation von Studium und Lehre im Verbund norddeutscher Hochschulen in den Jahren 1995 und 1996.

Das Zitat in der Überschrift faßt die Kernaussage eines 14-seitigen Gutachtens zusammen, daß die Professorin Dr. Ingrid Brakemeier-Lisop (Universität Frankfurt/M.), die Professoren Dr. Alfred Kieser (Universität Mannheim), Dr. Jürgen Kromphardt (Technische Universität Berlin), Dr. Heiner Müller-Merbach (Universität Kaiserslautern) und der Student David Zimmermann (Universität Dortmund) über Studium und Lehre am Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der Universität Oldenburg erstellt haben. Das Gutachten entstand im Rahmen des im Verbund norddeutscher Hochschulen entwickelten Verfahrens zur Evaluation der Qualität von Studium und Lehre. Nachdem in den Jahren 1994 und 1995 die Fächer Biologie und Germanistik evaluiert wurden, folgten 1995 die Fächer Informatik und die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge der am norddeutschen Verbund beteiligten Universitäten Bremen, Hamburg, Kiel, Oldenburg und Rostock.

Der Rat des Fachbereichs 4 faßte den Beschluß, sich an dem Evaluationsverfahren zu beteiligen, im Frühjahr 1995 zwar einhellig, aber nicht ohne erhebliche Bedenken. Schließlich befand sich der Fachbereich zu dieser Zeit in einer prekären Umbruchsituation. In den hektischen Einsparrunden des Jahres 1994 war gerade erst die Fortexistenz des Fachbereichs seitens der Landesregierung ernsthaft in Frage gestellt worden, die Bildung zweier volkswirtschaftlicher Institute war nicht ohne Turbulenzen abgelaufen und durch den Wegfall dreier Professorenstellen und einer zweistelligen Zahl von Stellen für wissenschaftliche MitarbeiterInnen aus Sonderprogrammen, mit deren Etatisierung fest gerechnet worden war, mußte die Sicherstellung des Lehrangebots als nachhaltig gefährdet gelten. Zudem hatte die auch von den GutachterInnen konstatierte "extreme Mittelknappheit" im Bereich der personellen und sachlichen Ausstattung und der laufenden Mittel für Forschung und Lehre dazu geführt, daß eine ganze Reihe von Professorinnen und Professoren des Fachbereichs Rufe an auswärtige Hochschulen annahmen - mit der Folge mehrjähriger Stellenvakanzen in Oldenburg, insbesondere im Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Angesichts der kontinuierlich hohen Studierendenzahlen erhöhte sich dadurch die bereits gegebene Überlastsituation noch erheblich, selbstverständlich zu Lasten der verbliebenen Lehrenden.

Keine Lethargie

Dennoch ist der Fachbereich - wie die Gutachterin und die Gutachter betonen - angesichts der geschilderten Situation "nicht in Lethargie verfallen", sondern hat "verstärkte, durchaus auch erfolgreiche Initiativen zur mittelfristigen und strategischen Planung" ergriffen, die "von dem Willen und der Fähigkeit zeugen, sich auf konzeptionell überzeugende Problemlösungen zu einigen". Diese Einschätzung gilt

- erstens für die vom Fachbereichsrat eingesetzte Strukturkommission, die den inzwischen erfolgreich erledigten Auftrag erhielt, einen entscheidungsreifen Plan über die künftige Struktur und Ausstattung der Professuren des Fachbereichs vorzulegen,

- zweitens für die Entwicklung eines deutsch-französischen Doppeldiplomabkommens, das Studierenden aus Le Havre und Brest sowie aus Oldenburg die Möglichkeit eröffnet, auch das Diplom der jeweiligen französischen bzw. deutschen Partnerhochschule zu erwerben

- drittens für die Entwicklung neuer Studiengangsprofile und Spezialisierungsrichtungen durch die Verknüpfung von Wirtschafts- und Umweltwissenschaften bzw. Informatik durch Planungsgruppen unter Beteiligung von Mitgliedern der Fachbereiche Chemie, Sozialwissenschaften und Informatik. Auch diese 1995 begonnene Planungsarbeit ist inzwischen zumindest für die Spezialisierungsrichtung "Ökonomie und Ökologie" und den Ansatz der Modularisierung und Profilbildung der Studiengänge grundsätzlich abgeschlossen.

Chance begriffen

Auch die Beteiligung des Fachbereichs am Evaluationsverfahren im norddeutschen Verbund ist vom Rat des Fachbereichs 4 als Chance begriffen worden, Schwachstellen in der Lehr- und Studienorganisation zu entdecken und konstruktive Vorschläge zu deren Überwindung zu entwickeln. Dementsprechend wurde eine "Arbeitsgruppe Evaluation" eingerichtet, in der die verschiedenen Statusgruppen (ProfessorInnen, MitarbeiterInnen, Studierende), die Fachgebiete und die Studiengänge repräsentiert waren Die Aufgabe bestand darin, auf der Basis eines vorgegebenen "Frageleitfadens", der sämtlichen beteiligten Universitäten des norddeutschen Verbundes als Grundlage diente, eine Selbstbeschreibung des Fachbereichs zu erarbeiten.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe verfolgten von Anfang an die Linie, einen ungeschönten Bericht abzuliefern, der die durch äußere Zwänge und "hausgemachte" Schwierigkeiten verursachten Probleme des Fachbereichs offen anspricht. So wurden z.B. Veranstaltungsverzeichnisse analysiert, Prüfungsakten ausgewertet, Kurzinterviews mit Experten der Universitätsbibliothek und des Oldenburger Arbeitsamtes durchgeführt. Von besonderer Bedeutung waren jedoch die Studierenden-Befragung mittels Fragebogen einerseits und die Lehrenden-Befragung auf der Basis eines ausführlichen Interviewleitfadens andererseits. Im Ergebnis entstand ein über hundertseitiger Bericht mit statistischen und sonstigen Anlagen, der im November 1995 in einer vorläufigen Fassung den externen GutachterInnen zur Verfügung gestellt wurde und inzwischen in der vom Fachbereichsrat im Februar 1996 gebilligten Fassung in gedruckter Form vorliegt (der Bericht kann gegen einen geringen Kostenbeitrag beim Dekanat des Fachbereichs 4 angefordert werden). Wie im Gutachten betont wird, hat der "Bericht zur Selbstevaluation die Kommission positiv beeindruckt".

Auf der Basis des vorläufigen Berichts nahmen die Gutachterin und die Gutachter am 18. und 19. Dezember 1995 eine "Begehung" des Fachbereichs vor und führten dabei Gespräche mit VertreterInnen aller Statusgruppen und auch mit der Universitätsleitung über den Stellenwert des Fachbereichs Wirtschafts- und Rechtswissenschaften im Hochschulentwicklungsplan. Zu Beginn des Jahres 1996 erhielt der Fachbereich ein vorläufiges Gutachten. Zu den Inhalten dieses Gutachtens konnte der Fachbereich auf einer Auswertungskonferenz am 17. und 18. Februar 1996 in Hamburg Stellung nehmen und seine Überlegungen zur Umsetzung der Empfehlungen der Gutachterin und den Gutachtern präsentieren. Die Auswertungskonferenz fand unter Beteiligung von VertreterInnen sämtlicher Statusgruppen der beteiligten Fachbereiche statt. Das endgültige Gutachten wurde dem Fachbereich im Mai 1996 zur Verfügung gestellt.

Dritte Phase der Evaluation

Gegenwärtig läuft die sogenannte dritte Phase der Evaluation. In enger Zusammenarbeit mit dem Dezernat 5 ist ein Katalog von Maßnahmen zur Umsetzung der Evaluationsergebnisse entwickelt und vom Rat des Fachbereichs 4 im November 1996 beschlossen worden. Es ist vorgesehen, auf der Basis dieses Katalogs eine formelle Vereinbarung zwischen der Universitätsleitung und dem Fachbereich 4 zu treffen, die Selbstverpflichtungen für beide Parteien und ein Überprüfungsverfahren für die Jahre 1997 und 1998 enthält.

Der Maßnahmenkatalog konzentriert sich weitgehend auf Bereiche, die der Fachbereich aus eigener Kraft verbessern kann. Dies betrifft auf der personellen und strukturellen Ebene vor allem die zügige Umsetzung der Ergebnisse der Strukturkommission einerseits und die Weiterführung der oben bereits erwähnten Studiengangsplanungen andererseits. Es ist davon auszugehen, daß von den gegenwärtig fünf vakanten Professuren im Fachbereich 4 im Jahre 1997 vier besetzt werden, so daß sich die Situation in Lehre und Studium wesentlich entspannen wird. Weiterhin sollen die Arbeiten zur Studiengangsplanung und zur Ausdehnung des Doppeldiplomabkommens auf britische, schwedische und italienische Hochschulen kontinuierlich fortgesetzt werden. So ist damit zu rechnen, daß sich zum Wintersemester 1997/98 erstmals Studierende in der Studiengangsvariante "Diplom-Wirtschaftswissenschaften mit ökologischem Schwerpunkt" einschreiben können.

Die weiteren Punkte beziehen sich auf Defizite in der Studienorganisation, -gestaltung, -beratung und -evaluation, der Öffentlichkeitsarbeit des Fachbereichs und der Kommunikationsstrukturen zwischen der Zentralverwaltung und den dezentralen Einrichtungen des Fachbereichs. Die durch den häufigen Wechsel der Lehrenden und die damit verbundenen langen Vakanzen im Bereich der Betriebswirtschaftslehre entstandenen Probleme im betriebswirtschaftlichen Grundstudium und im Pflichtfach "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" des Hauptstudiums sollen ausgeräumt werden. Dazu haben sich die betroffenen Lehrenden auf Verfahren geeinigt, die ab dem Wintersemester 1996/97 erprobt werden und zum Zeitpunkt der Besetzung der beiden gegenwärtig vakanten betriebswirtschaftlichen Professuren überprüft und in ein endgültiges Modell überführt werden sollen. Ebenso soll ein Modell für eine in die Grundstudiumsveranstaltungen integrierte Lehreinheit zur Methodik des wissenschaftlichen Arbeitens entwickelt werden.

Bessere Beratung

Durch die Studierendenbefragung im Rahmen des Evaluationsverfahrens sind Defizite im Bereich der Studienberatung offenbar geworden. Der Fachbereich wird sich hier um eine deutliche Verbesserung insbesondere für ausländische und für Studierende im Magister-Studiengang bemühen. Es soll zukünftig wieder ein kommentiertes Veranstaltungsverzeichnis geben, die tutorien-gestützte Orientierungsphase für StudienanfängerInnen soll fortgesetzt werden. Außerdem soll es unter Beteiligung der Fachschaft, der zentralen Studienberatung, der Studienberatungsbeauftragten der Fachgebiete des Fachbereichs und der Studienkommission ein Modell für eine Verbesserung und Intensivierung der Beratung für Studierende in höheren Semestern entwickelt werden.

Zur Frage der Qualität der Lehre führt die Fachschaft gegenwärtig eine Studierendenbefragung zur Lehrveranstaltungsevaluation durch. Über die Ergebnisse dieser Befragung werden im Sommersemester 1997 Gespräche zwischen den Lehrenden und der Fachschaft durchgeführt werden. Dabei sollen insbesondere die Möglichkeiten einer regelmäßigen Veranstaltungsevaluation, der Ausdehnung und Verbesserung des Projektstudienangebots und der didaktisch-methodischen Qualifizierung des wissenschaftlichen Personals und der TutorInnen des Fachbereichs eruiert werden.

Die deutliche Kritik der Gutachterin und der Gutachter an der mangelnden Öffentlichkeitsarbeit des Fachbereichs soll durch die Fortsetzung der Vortragsreihe, in der Lehrende ihre aktuellen Forschungsergebnisse der regionalen Öffentlichkeit vorstellen, durch die Herausgabe einer Fachbereichsbroschüre, in der das Leistungsprofil und -potential des Fachbereichs in Lehre, Forschung und Dienstleistung für die Region verdeutlicht und durch die Übergabe von Diplomurkunden im Rahmen einer Feierstunde entkräftet werden. Die durch das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst nunmehr genehmigte Verleihung des akademischen Grades einer Diplom-Handelslehrerin/ eines Diplom-Handelslehrers an die AbsolventInnen des Studienganges "Lehramt an berufsbildenden Schulen mit der beruflichen Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften" wird hierzu eine erste Gelegenheit bieten.

Mangelnde Kommunikationsstruktur

Das Evaluationsverfahren hat weiterhin Friktionen, Doppelarbeit und mangelnde Kommunikationsstrukturen zwischen der Zentralverwaltung und den Einrichtungen des Fachbereichs offenbart, worunter insbesondere die Mitarbeiterinnen des Verwaltungsdienstes zu leiden haben. Der Fachbereich 4 regt hierzu die Einrichtung eines Qualitätszirkels unter Beteiligung der betroffenen Mitarbeiterinnen aus der Zentrale und dem Fachbereich zur Verbesserung der Kommunikationsstruktur und Arbeitsorganisation an.

Insgesamt werden die Ergebnisse des Evaluationsverfahrens außerordentlich positiv eingeschätzt. Sicherlich konnte das Kernproblem des Fachbereichs nicht gelöst werden, denn die Beteiligung an einem derartigen Verfahren schafft weder dringend benötigte neue Stellen noch mehr laufende Mittel, so daß es bei dem - auch von der Gutachterin und den Gutachtern - deutlich kritisierten Zustand bleibt: die laufenden Mittel für Forschung und Lehre und die personelle Ausstattung im Bereich der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen liegen "weit unter dem Durchschnitt" vergleichbarer wirtschaftswissenschaftlicher Fachbereiche in Deutschland, und die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen werden auf Kosten ihrer eigenen Weiterqualifikation besonders durch Lehre und Prüfungen unangemessen belastet.

Dennoch: Aufwand und Ertrag stimmen

Dennoch stimmt das Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Die Gutachterin und die Gutachter haben nach verbreiteter Auffassung der Mitglieder des Fachbereichs das positive Potential wie auch die kritischen Punkte von Lehre und Studium zutreffend erfaßt, und das Gutachten stellt eine ausgesprochen wertvolle Diskussionsgrundlage für die Verhandlungen nach außen und innen dar. Die erfolgreiche Tätigkeit der Arbeitsgruppe Evaluation hat zu intensiven Diskussionen zwischen sämtlichen Statusgruppen und Fachgebieten sowie für wertvolle Initiativen gesorgt. Die Datengrundlage zu wesentlichen Fragen von Studium und Lehre ist erheblich erweitert und verbessert worden. Konfliktäre Aspekte wurden nicht verschwiegen, sondern in der Gruppe und im Fachbereich auf einer besseren Informationsbasis diskutiert. Dies hat wesentlich zu einer Versachlichung des Kommunikationsklimas im Fachbereich beigetragen und erleichtert schon jetzt die Vertretung der berechtigten Interessen des Fachbereichs 4.

Angesichts der Erfahrungen kann jedem Fachbereich und jedem Fach der Universität die Beteiligung an dem geschilderten Evaluationsverfahren nur empfohlen werden. Die gelungene Mischung aus Selbst- und Fremdevaluation hat zu dieser positiven Einschätzung beigetragen. Die Evaluation im Verbund norddeutscher Hochschulen, deren hervorstechendes Merkmal die Freiwilligkeit der Beteiligung ist, sollte daher in jedem Fall fortgesetzt werden.

* Prof. Dr. Thomas Breisig ist Vorsitzender der Evaluationskommission, Prof. Dr. Holger Reinisch Dekan des Fachbereichs Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.


(Stand: 19.01.2024)  | 
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