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Aus Wissenschaft und Forschung

Effektivere Therapien

Größte Suchtgruppe: drei Millionen AlkoholikerInnen

Rund neun Millionen Mark gab die Landesversicherungsanstalt Oldenburg/Bremen (LVA) 1987 für Rehabilitationsmaßnahmen von alkoholabhängigen ArbeitnehmerInnen aus. 1995 lagen die Aufwendungen bei 17,1 Millionen Mark. Um diese enormen Kosten langfristig zu senken, hat die LVA den Leiter der Forschungsstelle "Sucht- und Drogenprävention" an der Universität Oldenburg, Prof. Dr. Rüdiger Meyenberg, beauftragt, die Effektivität von Alkoholentwöhnungsbehandlungen zu untersuchen. Ziel soll die Optimierung von Therapieverfahren sein, die die Arbeitsfähigkeit von AlkoholikerInnen erhalten bzw. wieder herstellen. Mit der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages wurde die Zusammenarbeit der Universität mit der LVA für zunächst drei Jahre besiegelt.

Mit ca. drei Millionen Menschen bilden AlkoholikerInnen die mit Abstand größte Suchtgruppe in Deutschland. "Alkohol ist die schädlichste Droge", erklärte Meyenberg anläßlich der Vertragsunterzeichnung. "Abgesehen von den körperlichen Schädigungen bei den Alkoholkranken ist der volkswirtschaftliche Schaden enorm". Um so mehr verwundere es, daß es in der Bundesrepublik bisher noch keine nennenswerte Anti-Alkoholkampagne gegeben hätte. Exzessive Werbung für die Volksdroge würde noch zum Konsum animieren. Wenn dann die Bundesregierung noch die Zuwendungen für Rehabilitationsmaßnahmen drastisch kürze, würden in absehbarer Zeit vermehrt "soziale Slums" entstehen. Die Folgekosten seien um ein Vielfaches höher, es sei denn, man vernachlässige den betroffenen Personenkreis und steuere auf amerikanische Verhältnisse zu. Um Schlimmeres zu verhüten, müsse zwangsläufig an der Effektivierung der Behandlung alkoholkranker Menschen gearbeitet werden.

"Die enormen Belastungen in der Rentenversicherung zwingen uns, den Erfolg von Rehabilitationsmaßnahmen zu steigern und in diesem Bereich zu investieren", sagte der LVA-Vorstandsvorsitzende Arno Kalkowski zur Motivation, die Universität mit der Studie zu beauftragen. Derzeit würde die Rückfallquote ein Jahr nach der Behandlung noch bei 60 bis 65 % liegen. Rehabilitation müsse in jedem Fall vor eine entschieden kostspieligere alkoholbedingte Frührente gehen.

"Menschen hinter dem Aids-Blutskandal"

Betroffene und ihre Angehörigen äußern sich in einem Buch

"Profitgeier haben es verhindert, daß die zur Behandlung der Bluter notwendigen Blutplasmakonzentrate aus dem Verkehr gezogen wurden, die nachweislich mit Aids infiziert waren." Das schreibt Margit Lill-Debus, eine der AutorInnen des Buches "Gegen das Vergessen ... - Menschen hinter dem Aids-Blutskandal", das zum Abschluß eines gemeinsamen Projekts des Faches Psychologie der Universität Oldenburg und der Deutschen Hämophiliegesellschaft entstanden ist.

Das Projekt "Betreuung und Begleitung HIV-positiver Hämophiler, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen" entstand 1989 unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Wilfried Belschner, Psychologe am Fachbereich 5 Philosophie, Psychologie, Sportwissenschaft. Seitdem wurden rund 80 HIV-Infizierte und an Aids erkrankte Bluter und ihre Angehörigen von dem Psychologen und Herausgeber des Buches, Werner Lesemann, betreut. Mittlerweile sind die Hälfte der Aids-Patienten verstorben. Zwölf Angehörige schrieben ihre Erlebnisse mit der Krankheit und die Erfahrungen mit "dem bedeutendsten Abschied in ihrem Leben", dem Verlust eines Kindes, Bruders oder Partners nieder.

Das daraus entstandene Buch "wirft ein ganz privates Licht auf den Aids-Blutskandal, der in den Medien bisher hauptsächlich als ein politischer Skandal dargestellt wurde", schreibt Herausgeber Lesemann.. Zu schnell werde vergessen, daß sich hinter dem politischen Ereignis menschliche Schicksale verbürgen. Familien seien aus der Bahn geworfen worden, in die sie bis heute noch nicht wieder zurückgefunden hätten. "Doch dieses Buch macht auch Hoffnung. Es beschreibt, wie die AutorInnen gelernt haben, mit Wut, Trauer und Verzweiflung umzugehen", so Lesemann.

Hoffnung und die Chance für eine neue Sinngebung des Lebens sieht auch Belschner. In seinem Vorwort schreibt er: "Wie ist 'so Etwas' überhaupt möglich geworden? Wir versuchen, ein Handeln, in dem Gier nach Geld, Gewinn und Macht dominierte, rational zu analysieren." Dieses "Unvorstellbare ... zwingt uns in seiner Unbegreiflichkeit nach dem Wesenskern zu fragen. Wer sind wir wirklich? In welchen Aufgaben finden wir unseren Sinn? Das harte Schicksal, über das in den hier versammelten Texten reflektiert wird, läßt die herkömmlichen, unser alltägliches Selbstverständnis bestimmenden und meist befriedigenden Antworten brüchig werden. In den Erkrankungen eines hämophilen und an Aids erfaßten Menschen haben diese Antworten keinen legitimen Platz mehr. [...] Welche Quelle, aus der Sinn fließt, kann aufbrechen?" fragt Belschner weiter. Antworten könnten Weisheitslehren geben, in denen "wir auf transzendente Werte und transpersonale Erfahrungen verwiesen werden. Mit einer solchen Lebensausrichtung erhalten wir - so schlimm das Leiden und der Tod eines Menschen ist - eine Sinngebung, die Trost und einen neuen Verstehenshorizont zu spenden vermag".

Annähernd 1.400 Bluter, das sind etwa die Hälfte aller Erkrankten in den alten Bundesländern, wurden bis Mitte der 80er Jahre durch HIV-verseuchte Blutprodukte mit dem Aids-Virus infiziert. Erst Anfang der 90er Jahre wurden als Reaktion auf den "Aids-Blutskandal" Politiker und Verantwortliche in der Pharmaindustrie zur Verantwortung gezogen.

"Gegen das Vergessen ... Menschen hinter dem Aids-Blutskandal", Werner Lesemann (Herausgeber), BIS-Verlag (Universität Oldenburg), ISBN 3-8142-0563-4.


(Stand: 19.01.2024)  | 
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