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Forschung und Lehre

Votum per Internet: “Prüf den Prof. 2000“

Wirtschaftsstudenten beurteilen im Internet Vorlesungen

Via Internet konnten zum ersten Mal StudentInnen der Wirtschaftswissenschaften an der Universität ihre Beurteilung von Vorlesungen anonym abgeben. Das Verfahren unter dem Motto “Prüf den Prof. 2000” wurde von der so genannten Fachschaft, in Zusammenarbeit mit “Campus Virtuell” organisiert – ein von StudentInnen gegründeter Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, neue Medien stärker für den Lehrbetrieb und das Studium nutzbar zu machen.

Befragungen über das Lehrangebot des Fachbereichs 4 gibt es schon seit mehreren Jahren. Bisher wurden aber Fragebogen verteilt, deren Auswertung viel Zeit in Anspruch nahm. Die jetzige Internetbefragung gewährleistete nicht nur die Anonymität, sondern sicherte auch ab, dass mit Hilfe von individuellen TANs (TransAktionsNummern) alle StudentInnen einer Veranstaltung nur je eine Stimme abgeben konnten. Die Übertragung der Daten wurde mit Standards durchgeführt, die auch beim Homebanking für Sicherheit sorgen. Die Bewertung konnte vom heimischen PC oder vom Rechenzentrum in der Universität aus vorgenommen werden.

“Man kann diese Aktion der Studentenschaft nur unterstützen”, erklärte dazu der Dekan des Fachbereichs Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Prof. Dr. Thomas Breisig. “Alle Dozenten sind auf das Feedback der Teilnehmer ihrer Veranstaltungen angewiesen. Nur so kann man selbst beurteilen, ob das, was vermittelt werden soll, auch aufgenommen wird.” Natürlich sei es nicht für jeden Kollegen leicht, offene Kritik hinzunehmen, sagte Breisig weiter. Aber die Befragung sei der beste Weg, sich ein realistisches Bild zu machen und auf dieser Basis die Qualität der Lehre zu verbessern. Das Internet sei dafür auch das geeignete Instrument.

Bei der ersten Internet-Befragung wurden insgesamt 560 Voten abgegeben – eine Zahl, die der Vorsitzende von “Campus-Virtuell”, Sebastian Dettmer, als befriedigend bezeichnete. Die Beteiligung liege über der bei den Wahlen zum Studentenparlament. Dass es nicht mehr Voten gegeben habe, führte er darauf zurück, dass in einigen Vorlesungen Tan-Nummern nicht ausgegeben worden seien. Erfreulich sei die Qualität der Voten, betonte Dettmer. Viele Student-Innen hätten nicht nur Kreuze gemacht, sondern in konstruktiver Kritik Verbesserungsvorschläge beschrieben. Insgesamt hätten die positiven Voten überwogen. Die Ergebnisse können von Uniangehörigen unter www.campus-virtuell.de eingesehen werden.

Campus and Company

Neues Studienkonzept der Wirtschaftswissenschaften

Im kommenden Wintersemester startet das Studienkonzept “Campus & Company”, das für mehr Praxisnähe des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums sorgen soll. Das Angebot richtet sich an Studieninteressierte mit gutem Informationstechnik- und Internet-Wissen, die ihr Wirtschaftsstudium mit der Tätigkeit in einem Internet-Start-Up Unternehmen (Unternehmensneugründungen im Bereich Internet) verbinden wollen.

Das Studienkonzept, das vom Betriebswirtschaftler Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Institut für Betriebswirtschaftlehre I, koordiniert wird, baut auf dem Projektstudium der Universität Oldenburg auf. Wer sich für das Studienkonzept Campus & Company entscheidet, absolviert in den Semesterferien bezahlte Inlands- und Auslandspraktika bei den Partnerfirmen des Programms. Dazu zählen z. B. die Ivybird AG, die Media Service Group AG und die Naturwarenhaus.de.

Die Einschreibung erfolgt über den Studiengang Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Informatik der Universität (zulassungsbeschränkte Direkteinschreibung) und ist bis zum 15. Juli 2000 möglich. Weitere Informationen unter www.uni-oldenburg.de/produktion/candc/

Aggressive Musik und aggressives Verhalten

Ergebnisse einer empirischen Untersuchung am FB 2

Viele Ängste vor einer gewaltauslösenden oder aggressionsfördernden Wirkung von Musik sind unbegründet. Zu diesem Ergebnis gelangt eine empirische Studie, die im Rahmen einer Examensarbeit im Fach Musik (Fachbereich 2 Kommunikation/Ästhetik) entstanden ist und einen detaillierten Einblick in die Wirkungszusammenhänge von Musik, Persönlichkeit und Gewalt liefert. Für die Arbeit, deren Ergebnisse sowohl für die Musikpädagogik wie die Jugendsozialarbeit von Interesse sein dürften, befragte der Student Carsten Stöver 200 Jugendliche aus acht städtischen und sechs ländlichen Jugendzentren. Er wurde betreut von Prof. Dr. Wolfgang Martin Stroh (Uni Oldenburg), Prof. Dr. Thomas Münch (ehemals Universität Oldenburg, jetzt Musikhochschule Würzburg).

Die wissenschaftliche Diskussion um “Musik und Gewalt“ konstatiert auf der einen Seite gewalttätige Handlungen im Umfeld gewisser Musikdarbietungen, wozu auf der anderen Seite die “Katharsisthese” im Widerspruch zu stehen scheint, der zufolge Musik der Abfuhr von Energien, der Verarbeitung von Gewaltphantasien und damit der Behinderung gewalttätiger Handlungen dienen kann. Die moderne Musikpsychologie fasst dieses Dilemma dahingehend zusammen, dass sie betont, die Wirkung von Musik hänge von vielen außermusikalischen Faktoren ab, die bei der Frage nach Kausalitäten zwischen Musik und Gewalthandlungen mit berücksichtigt werden müssten.

In seiner Studie untersuchte Stöver die “Neigung zu aggressivem Verhalten“, die er mit den jeweiligen Musikpräferenzen, charakteristischen Umgangsweisen mit Musik, Musikverwendung in Situationen von Ärger und Trauer sowie dem Stellenwert, den Musik für die Jugendlichen hat, in Beziehung setzte.

Die Befragung ergab drei Gruppen von Musikpräferenzen (“Cluster“): die “Freunde gitarrenlastiger Rockmusik“ (50 Prozent), “Technopop-Fans“ (25 Prozent) und “Liebhaber angesagter Musikstile“ (25 Prozent). Auf der “Aggressivitätsskala“ unterschieden sich diese drei Gruppen nicht signifikant. In Situationen von Ärger oder Trauer setzen die Jugendlichen aber eindeutig unterschiedliche Musik ein. Je höher die Neigung zu aggressivem Verhalten ausgeprägt ist, umso mehr neigen die Jugendlichen auch dazu, Ärger mit aggressiver Musik zu verarbeiten, während in Situationen von Trauer der Wunsch nach trauriger Musik bei den Aggressiven signifikant stärker ausgeprägt ist als bei den weniger Aggressiven. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass Musikpräferenzen etwas über Persönlichkeitsmerkmale aussagen, d.h. vom Hören aggressiver Musik kann nicht auf eine Neigung zu aggressivem Verhalten geschlossen werden. Hingegen war zu konstatieren, dass Jugendliche mit Neigung zu aggressivem Verhalten Musik eher “stimulativ“ einsetzen und auch Musik eher “assoziativ“ hören als andere Jugendliche.

Einzigartiger Studiengang

„Hörtechnik und Audiologie“ / Start in der FH zum WS 2000

Zum Wintersemester 2000/2001 beginnt, in Kooperation mit der Universität Oldenburg und dem Hörzentrum Oldenburg, an der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/ Wilhelmshaven der neue Studiengang “Hörtechnik und Audiologie“. Er ist deutschlandweit der erste Studiengang, der darauf abzielt, die Bedarfs- und Marktlücke zwischen den technischen Lehrberufen und den universitären Ausbildungsberufen der Physik und Medizin in diesem Bereich zu schließen.

Der Studiengang ist interdisziplinär angelegt, international ausgerichtet (englischsprachige Lehrveranstaltungen sollen das Studium für ausländische Interessenten öffnen und es inländische Studierenden leicht machen, einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland zu absolvieren) und praxisverbunden (enge Kooperationen mit der Wirtschaft wie dem Oldenburger Kompetenzzentrum “HörTech“, dem “Hörzentrum Oldenburg“ und dem Evangelischen Krankenhaus Oldenburg). Es können zwei Studienabschlüsse erworben werden: Nach vier Jahren das Fachhochschuldiplom und nach fünf Jahren der “Master of Science“, der dem Universitätsabschluss entspricht und den Zugang zu einem Promotionsstudium ermöglicht. Darüber hinaus ist der Studiengang nach dem European Credit Transfer Systems (ECTS) aufgebaut, was eine europaweite Anerkennung der Studienleistungen garantiert. Eine Reihe von einschlägig tätigen, überregionalen Wirtschaftsbetrieben hat bereits die Bereitstellung von über 100 Praxissemesterplätzen zugesagt und Interesse bekundet, die Absolventen des Studienganges “Hörtechnik und Audiologie“ einzustellen. Mehr im Internet unter http://www.hoertechnik-audiologie.de/

Vor der Küste Perus

Meeresforschungen im Umfeld des “El Nino-Ereignisses“

Sechs Wochen lang haben die Oldenburger Geochemiker Dr. Bernhard Schnetger und Dr. Olaf Dellwig aus der Arbeitsgruppe Mikrobiogeochemie (Prof. Dr. Hans-Jürgen Brumsack) des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) mit dem deutschen Forschungsschiff “Sonne” vor der Küste Perus den Meeresgrund erforscht, um neue Erkenntnisse zum Thema “El Nino” zu gewinnen.

Als “El Nino” wird ein Klimaphänomen bezeichnet, das in mehrjährigen, unregelmäßigen Abständen in der Pazifikregion auftritt und das Wettergeschehen weltweit beeinflussen kann. Unter anderem werden der verregnete Sommer des Jahres 1998, Überschwemmungen in Südamerika und Dürrekatastrophen und Waldbrände in Südostasien mit diesem Phänomen in Verbindung gebracht. “El Nino” (“das Christkind”) tritt um Weihnachten herum auf und verhindert unter anderem den Auftrieb kühler und nährstoffreicher Wassermassen vor der peruanischen Pazifiküste. Die Untersuchungen der Geochemiker sollen jetzt klären, in welcher Weise “El Nino“-Ereignisse mit der Intensität des Auftriebs kühler Wassermassen gekoppelt sind und ob die Häufigkeit dieser Ereignisse sich in den letzten Jahrhunderten verstärkt hat.

An dem Projekt sind neben der Universität Oldenburg auch die Universitäten Mainz und Kiel, das Max-Planck-Institut für Mikrobiologie in Bremen sowie die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover beteiligt.

DFG-Projekt Medienkompetenz

Die Medienkompetenz von MusiklehrerInnen an allgemeinbildenden Schulen steht im Mittelpunkt des von der DFG geförderten Forschungsprojekts “Medienkompetenz in der musikpädagogischen Praxis” im Fach Musik (Fachbereich 2 Kommunikation/Ästhetik). Beteiligt sind die Wissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Martin Stroh und Dr. Randolph G. Eickert. Auf der Basis des Projekts sollen Materialien für den Musikunterricht erarbeitet werden, die auf einem interaktionistisch-schülerorientierten Konzept basieren.
Nähere Information im Internet unter
https://uol.de/medienkompetenz/

Geschichtsschreibung im Mittelalter

Die Instrumentalisierung mittelalterlicher Geschichtsschreibung in der praktischen politischen Rezeption stand im Mittelpunkt eines Kolloquiums unter Leitung der Historikerin Dr. Gudrun Gleba vom Historischen Seminar. Die Betrachtung historiographischer Texte jenseits ihrer Autoren, ihrer Auftraggeber und den ursprünglichen Entstehungsbedingungen zeigte ihre Verwendung durch spätere mittelalterliche Geschichtsschreiber nicht nur als Informationsquelle. Die Beiträge erscheinen als Themenheft der Zeitschrift “Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung“. Die Veranstaltung wurde unterstützt durch die Stiftung Niedersachsen.

Großes Projekt der Landschaftsökologie

Um kostengünstige Alternativen zur häufig aufwendigen Pflege von Trockenstandorten im Rahmen des Naturschutzes geht es in dem groß angelegten Forschungsprojekt „Mosaik“, an dem die Arbeitsgrupe Landschaftsökologie am Fachbereich 7 Biologie, Geo- und Umweltwissenschaften der Universität mit unter anderem acht Doktoranden beteiligt ist. Leiter der Arbeitsgruppe ist Prof. Dr. Michael Kleyer.

Es handelt sich um ein Verbundvorhaben mit den Universitäten Marburg und Würzburg und dem Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle. Die Führung liegt bei den Oldenburger WissenschaftlerInnen. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren mit insgesamt 2,6 Millionen DM gefördert, wovon etwa eine Million DM nach Oldenburg gehen. Das erste Untersuchungsgebiet liegt im Müritz-Nationalpark, wo bereits seit 30 Jahren eine Herde von Fjällrindern ein großflächtiges Areal von Magerrasen und Feuchtheiden offen hält.

Zielvereinbarungen: Zwei Jahre Zeit zur Umsetzung

Zielvereinbarungen mit Pädagogik und Mathematik

Der Fachbereiche 1 Pädagogik und 6 Mathematik haben nach ihrer Evaluierung im Sommersemester Zielvereinbarungen mit der Universitätsleitung unterzeichnet, die der Qualitätssicherung in Studium und Lehre dienen und innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden sollen.

Im FB 1 geht es neben Nachwuchs- und Forschungsförderung um Fragen der Profilbildung, konkret um die Integration der Diplomstudiengänge Sonderpädagogik und Pädagogik im Hauptstudium und die Erneuerung des Curriculums im Magisterstudiengang. In Lehre und Studium soll die Koordination zwischen den Lehreinheiten verbessert und die Evaluation von Lehrveranstaltungen systematisiert werden. Außerdem soll ein neues Mentorenmodell zur Betreuung von Lehramtsstudierenden in den Schulpraktika erprobt werden.

Auch bei der Zielvereinbarung mit der Mathematik geht es um Nachwuchsförderung und Profilbildung in Forschung und Lehre. Unter anderem soll durch das Angebot des neuen Forschungs- und Studienschwerpunktes in Biomathe-matik/ Modellierung die Attraktivität gesteigert werden. Die Lehramtsausbildung soll durch die Gründung eines Forschungsinstituts für Didaktik der Mathematik, der Informatik und informatischen Bildung gestärkt werden. Wie der Fachbereich 1 will sich auch der Fachbereich 6 verstärkt um die Einwerbung von Drittmitteln und die Beteiligung an interdisziplinären Graduiertenkollegs bemühen.

In einigen Punkten gleichen sich die Zielvereinbarungen, die das Präsidium mit den Fächern vereinbart hat. Dazu zählen Verbesserungsabsichten bei der Gestaltung des Übergangs vom Grund- zum Hauptstudium, die Einrichtung von Praktikumsbörsen, verstärkte Internationalisierung des Studiums wie die Entwicklung eines ECT-Systems vor Ort sowie der Aufbau eines AbsolventInnennetzwerkes.

Nachlass vervollständigt

Ossietzky-Archiv erhält Friedensnobelpreisurkunde

Das Ossietzky-Archiv kann eine wertvolle Bereicherung vermelden: die Friedensnobelpreisurkunde Ossietzkys samt der zugehörigen goldenen Medaille, eine Bronzeskulptur, die nach der Totenmaske Ossietzkys angefertigt wurde, das sogenannte Erinnerungsbuch, in dem Ossietzky zwei Erzählungen und Briefe an seine Frau Maud festgehalten hat, die über den Krieg geretteten Reste der Ossietzkyschen Bibliothek (u.a. mit Werkausgaben Goethes und Heines), Fotos und familiäre Korrespondenz. Das alles wurde jetzt von Ebbe von Ossietzky-Palm, dem Enkel des Namensgebers der Universität Oldenburg, nach dem Tod seiner Mutter Rosalinde von Ossietzky-Palm der Universitätsbibliothek übergeben.

Rosalinde von Ossietzky-Palm hatte bereits den Hauptteil des Nachlasses ihres Vaters Anfang der 80er Jahr der Universität Oldenburg überlassen. Kurz vor ihrem Tod im Februar dieses Jahres verfügte sie, dass auch der Rest der Universität überlassen wird.

Die Bedeutung der neuen Archivalien ist für die Forschung zwar nicht sehr hoch, da die Oldenburger Ossietzky-Forschungsgruppe schon während der Arbeiten an der 1994 erschienenen Ossietzky-Gesamtausgabe jederzeit Zugang dazu hatte. Der symbolische Wert der Archivalien ist aber nicht hoch genug einzuschätzen. Oldenburg unterstreicht damit seine Funktion als wichtigster Ort der Ossietzky-Forschung. Und es bleibt zu hoffen, dass die Bereicherung des Archivs auch den kritischen Geist des Anti-Militaristen, Anti-Nationalisten und Radikaldemokraten Ossietzky der Universität einmal wieder ins Gedächtnis ruft.

Christoph Schottes

Studium ohne Abitur: Vom Meister zum Magister

Studie zum Hochschulstudium zeigt: Qualifizierte Berufstätige haben nicht mehr und nicht weniger Probleme mit dem Studium als Abiturienten

Das Bundesland Niedersachsen hat bei der Frage der rechtlichen Normierungen des Hochschulzugangs für Berufstätige ohne Abitur seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle in Deutschland gespielt. Neben der seit langem bewährten “Prüfung für den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung ohne Hochschulreife/Fachhochschulreife” (so genannte Z-Prüfung) gibt es seit 1994 auch den Zugang in ein wissenschaftliches Hochschulstudium über ein Probestudium ohne eine Zulassungsprüfung für Personen, die über eine besonders qualifizierte berufliche Weiterbildung mit einem entsprechenden Zertifikat verfügen.

Mit diesem Weg in das Hochschulstudium verbindet Niedersachsen nicht nur die Absicht einer weiteren Pluralisierung und damit auch Öffnung des Hochschulzugangs, sondern auch die Annahme, dass sich die historisch durch das gymnasiale Monopol beim Hochschulzugang entwickelte Polarisierung zwischen allgemeiner und beruflicher (Aus)Bildung überwinden ließe.

Dieser Weg in ein Probestudium wird Personen eröffnet, die eine abgeschlossene berufliche Erstausbildung ergänzt um einen beruflichen Weiterbildungsabschluss (z.B. eine Meisterprüfung, Ausbildung an einer zweijährigen Fachschule) nachweisen. Die unbefristete Einschreibung setzt ein erfolgreiches Studium von in der Regel zwei Semestern voraus. Zwischen der beruflichen Vorbildung und dem gewählten Studienfach wird eine fachliche Einschlägigkeit verlangt.

Zwischen 400 und 500 Studierende haben inzwischen an den niedersächsischen Universitäten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Arbeitsgruppe Bildungsforschung der Fachbereiche 1 und 3 an der Universität Oldenburg hat soeben eine empirische Untersuchung abgeschlossen, in der die Studienerfahrungen dieser Personengruppe an allen Universitäten im Land Niedersachsen befragt worden sind.

Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Untersuchung zählen, dass sich dieser Personenkreis als studierfähig erweist und die Anforderungen des Hochschulstudiums ohne größere oder ungewöhnliche Probleme bewältigt. Die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die sie in ihr Studium einbringen, erweisen sich durchweg als funktional äquivalent zu denen, die andere erfolgreich studierende Personengruppen auf anderen Wegen wie z.B. durch das Abitur erworben haben. Außerdem spricht dieser Hochschulzugang ein breites Spektrum an beruflichen Voraussetzungen an. Es dominieren mit ca. 50 Prozent die Personen, die über eine Fachschulausbildung als Erzieherinnen und Erzieher zumeist den Weg in ein Diplomstudium gefunden haben – viele von ihnen studieren Pädagogik im Diplom oder für ein Lehramt. Daneben hat aber auch jede/r Fünfte unserer Befragten die Studienberechtigung über eine Meisterprüfung, und etwa jede/r Dritte durch anspruchsvolle andere berufliche Aus- und Weiterbildungen erworben. Das Spektrum der Studienfachwahl reicht von den Lehramtsstudiengängen bis zu den Magisterstudiengängen und den Diplomstudiengängen z.B. in den Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften, Agrarwissenschaften, der Architektur bzw. den Rechtswissenschaften.

Die insgesamt sehr positiven Feststellungen über die Studienbewährung unserer Befragten finden in den weiteren Ergebnissen auch eine Reihe von plausiblen Erklärungen. Das wichtigste Kapital, über das sie verfügen, liegt in einem dichten Geflecht studienbegünstigender Voraussetzungen. Dazu gehören vor allem ihre schulischen Voraussetzungen - zum Teil nur knapp unterhalb des Abiturs - sowie beachtliche berufliche Vorleistungen, die bei vielen mit ausgeprägten Weiterbildungserfahrungen verbunden sind. Diese studienbegünstigenden Voraussetzungen korrespondieren mit einer ausgeprägten Leistungs- und Motivationsstruktur, die durch Ambitionen und Anstrengungsbereitschaft gekennzeichnet ist. Fast alle zeigen ein hohes Maß an Studienzufriedenheit und Studienidentifikation Sie stehen weitgehend uneingeschränkt zu ihrer Entscheidung, aus dem Beruf in das Studium zu wechseln.

Der (realisierte) Studienwunsch hat bei der großen Mehrzahl die Bindung an die vorangegangene Berufsausbildung und -tätigkeit nicht aufgelöst. Der Beruf gilt den meisten als gutes Fundament für das Studium. Die dort erworbenen funktionalen und extrafunktionalen Kenntnisse und Fähigkeiten werden im Studium gebraucht und helfen bei der Bewältigung der Studienanforderungen.

Es überrascht nicht, dass die Studienanforderungen und die neue Lebenssituation auch Schwierigkeiten bereiten. Diese werden im Studium vor allem in den fachlichen Anforderungen und im psychosozialen Bereich gesehen. Sie erscheinen den Befragten aber als lösbar. Bei der Einschätzung dieser Probleme ist darauf hinzuweisen, dass solche fachlichen und psychosozialen Schwierigkeiten typisch für alle Studierendengruppen an unseren großen Universitäten zu sein scheinen und die Strukturen der Universitäten Gefühle der Anonymität und Entfremdung befördern, unabhängig auf welchem Weg der Hochschulzugang erworben worden ist.

Die Untersuchung zeigt sehr deutlich, dass mit der Öffnung der Universität für Berufstätige ohne Abitur nicht nur eine besondere Gruppe von Studierwilligen und Studierfähigen existiert, sondern dass diese mit großer Zufriedenheit studieren, sich sozial gut integriert fühlen und in ihrer großen Mehrheit ihre Studien- und Studienfachentscheidung für richtig halten. Auch wenn unser Personenkreis zielstrebig und engagiert auf den erfolgreichen Studienabschluss und ein Wiedereinmünden in das Beschäftigungssystem hin arbeitet: Die Freude am Studieren und am Erwerb von Wissen, die Erweiterung des geistigen Horizonts haben ebenso eine hohe Priorität wie der Erwerb fundierten Fachwissens für das spätere berufliche Arbeiten.

Die wichtigste bildungspolitische Quintessenz aus unserer Befragung ist, dass “ohne Wenn und Aber” festgestellt werden kann, dass das Bundesland Niedersachsen einen mutigen, konsequenten und richtigen Schritt getan hat, um den Zugang zu seinen wissenschaftlichen Hochschulen durch eine weitere Variante zu pluralisieren und damit qualifizierten Berufstätigen ohne Abitur ein Hochschulstudium zu ermöglichen. Es bleibt aber auch festzustellen, dass die Hochschulen selber noch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssten, um das Probestudium systematischer zu strukturieren und auch damit diesem Personenkreis zu signalisieren, dass sie an der Rekrutierung leistungsbereiter und leistungsfähiger Studierender ohne Abitur ein Interesse haben, weil auf diesem Weg inspirierende Erfahrungen in die Hochschulen eingebracht werden.

Heinz-Dieter Loeber
Wolf-Dieter Scholz


(Stand: 19.01.2024)  | 
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