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Der Weg der Universität ist keiner des Kopierens

Für die 70er-Jahre-Hochschulgründungen sind andere Entwicklungsmuster notwenig - Präsident zieht Halbzeitbilanz vor dem Senat

Vor dem Senat zog Präsident Prof. Dr. Uwe Schneidewind am 10. Oktober eine „Halbzeitbilanz“. Seine Amtsperiode läuft von 2004 bis 2010. Nachfolgend ein Auszug aus der Rede, die in der Reihe „Oldenburger Universitätsreden“ im BIS-Verlag erscheint:

Auf europäischer Ebene ist der Bologna-Prozess in vollem Gange, und unabhängig von vielen Detaildiskussionen insbesondere auch im Hinblick auf eine wirkliche Internationalisierung ist heute deutlicher denn je, dass die Umsetzung des Bologna-Prozesses auf gesamteuropäischer Ebene nicht mehr aufzuhalten ist. Das bedeutet, dass wir ab 2010 europaweit nicht nur flächendeckend Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt haben werden, sondern dass wir auch europäisch stärker angenäherte Strukturen in der Promotionsausbildung vorfinden werden. Diese flächendeckende Einführung des Bologna-Systems wird zu einer erheblichen Ausdifferenzierung der sogenannten Higher Education Institutions, d.h. aller Einrichtungen der Hochschulausbildung, führen. (…)

Mit dem erheblich vergrößerten Volumen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU erhält schließlich auch die Forschungspolitik eine noch stärkere europäische Dimension – mit allen damit verbundenen Folgen, insbesondere einer noch mehr wirtschaftsorientierten Ausrichtung der Forschungsförderung sowie der Angleichung wissenschaftlicher Exzellenzkriterien auf gesamteuropäischer Ebene.

Auf nationaler Ebene sind in den letzten drei Jahren insbesondere der Exzellenzwettbewerb und die Umsetzung der Föderalismusreform prägend gewesen. Der Exzellenzwettbewerb hat die forschungsorientierte Ausdifferenzierung der Hochschulen in Deutschland ganz erheblich vorangetrieben. Das ist nicht nur durch die eigentlichen Ergebnisse in allen drei Förderlinien des Wettbewerbs geschehen, sondern u.a. auch durch die Einführung der 20-Prozent- Overhead-Pauschale der zukünftigen DFG-Förderung sowie der zukünftigen vollständigen Übertragung der Verantwortung für den Hochschulbau auf die Bundesländer. Diese im Rahmen der Föderalismusrefom angestoßenen Entwicklungen führen dazu, dass der Finanzierungsabstand zwischen den bestehenden forschungsstarken Groß-Universitäten und den anderen Universitäten weiter wächst. (…)

Länderebene

Auf der Ebene des Landes, d.h. der niedersächsischen Hochschulpolitik, haben wir es mit mehreren für die Hochschulen unterschiedlich zu bewertenden Entwicklungen zu tun. Auf der einen Seite ist auch die niedersächsische Landespolitik durch die forschungsexzellenz-orientierte Bundeskulisse geprägt. Die Strategie der Landesregierung war stark an der Förderung von aussichtsreichen Kandidaten der Exzellenzinitiative orientiert. Dies hat sich in der Bereitschaft zu entsprechenden Ko-Finanzierungen niedergeschlagen, z.B. in der Zusage an die Universität Göttingen, auch über den 5-Jahres-Förderzeitraum hinaus die Förderung für weitere 5 Jahre zu übernehmen, wenn es zu einem Erfolg in der dritten Förderlinie kommt, aber auch in der Bereitschaft, sogenannte B-Anträge, d.h. Anträge, die in der ersten Auswahlrunde erfolgreich waren, aber dann keinen erfolgreichen Zuschlag bekommen haben, zu fördern, schließlich aber auch in der Orientierung an ausgewiesener Forschungsexzellenz bei der Vergabe von zusätzlichen Mitteln für die Hochschulen. Diese Haltung spiegelte sich sowohl in der Förderstrategie des VW-Vorabs als insbesondere auch in der finanziellen Unterstützung von Berufungen an den einzelnen Universitäten wider.

Ein Eckpunkt der Landeshochschulpolitik der letzten drei Jahre war der Abschluss des Zukunftsvertrags, der den Hochschulen das erste Mal seit sehr langer Zeit eine Planungssicherheit in ihren finanziellen Rahmenbedingungen gegeben hat. Auch wenn dieser Zukunftsvertrag einem finanziell schmerzlichen Hochschuloptimierungskonzept gefolgt ist und in die Laufzeit des Zukunftsvertrags erhebliche Zusatzbelastungen wie z.B. gestiegene Energiekosten sowie gestiegene Personalkosten gefallen sind, so hat die damit verbundene Planungssicherheit das Handeln für die Hochschulen im Vergleich zu vergangenen Legislaturperioden sehr erleichtert.
Ein weiterer Baustein in der langfristigen Orientierung ist die Beteiligung des Landes Niedersachsen am Hochschulpakt 2020. Auch wenn hier vorerst nur Zusagen bis zum Jahre 2010 vorliegen, ist auch über den Zeitraum 2010 hinaus mit einem Ausbau der Studienplätze und damit mit zusätzlichem Geld für die Schaffung zusätzlicher Studienkapazitäten zu rechnen.
Studienbeiträge

Schließlich ist die Einführung von Studienbeiträgen in der aktuellen Legislaturperiode ein Eckpunkt der Landeshochschulpolitik gewesen. Die Einführung von Studienbeiträgen hat den Hochschulen fünf bis knapp zehn Prozent zusätzliche finanzielle Mittel zur Verbesserung ihrer Studienbedingungen eingebracht. Auch wenn die mit der Einführung der Studienbeiträge aufkommenden Herausforderungen sozialer Diskriminierung noch nicht umfassend gelöst sind, so stehen den Hochschulen damit nach langer Zeit erstmals wieder zusätzliche Mittel für die Verbesserung der Lehrbedingungen zur Verfügung, und es findet eine Annäherung an die gemischte Finanzierungsstruktur anderer nationaler Hochschulsysteme statt.

Schließlich ist die Politik der Universität Oldenburg durch die aktuellen Entwicklungen auf regionaler Ebene, d.h. insbesondere der Metropolregion Bremen – Oldenburg, geprägt. Die Schaffung der Metropolregion ist eine wichtige politische, aber insbesondere auch wirtschaftliche Kulisse für das Zusammenwachsen der Region und damit auch der Hochschulen im Nordwestraum. Die Hochschulen haben die Chance einer engeren Kooperation aktiv angenommen, und ich freue mich darüber, dass mir das Vertrauen geschenkt wurde, als Sprecher des Metropolregionenbeirats die Prozesse aktiv mitgestalten zu können. (…)

Wichtige Eckpunkte

Was sind die wichtigsten Aussagen unseres Leitbilds? Drei Bereiche will ich betonen:

1. den Anspruch einer breit ausgebauten Universität;
2. den Anspruch, forschungsorientierte Universität zu bleiben;
3. die Betonung moderner Führungsprinzipien.

Und ich möchte sie mit dem in meiner Antrittsrede betonten Ziel der Verbindung von Exzellenz und Authentizität ergänzen.

Die erste wichtige Aussage des Leitbilds war: Diese Universität möchte auch in Zukunft den Anspruch einer weit ausgebauten Universität aufrechterhalten, d.h. sich ganz bewusst nicht auf die Vision einer reinen Lehrerausbildungsuniversität oder einer Hochschule, die auf bestimmte naturwissenschaftlich-technische Bereiche ausgerichtet ist, reduzieren lassen. Und wir müssen uns dabei vor Augen führen, dass uns die Diskussion über solche Extreme der möglichen zukünftigen Ausrichtung vor 2004 immer wieder intensiv beschäftigt und z.T. gelähmt haben.

Das Leitbild macht sehr deutlich, dass diese Universität auch in Zukunft eine Universität ist, die sich sowohl zu ihrer Ausbildung in der Lehrerbildung in ganzer Breite als auch in den Wirtschaftswissenschaften, in den Geistes- und Sozialwissenschaften und in den Naturwissenschaften sowie der Informatik bekennt und eher danach strebt, diese Felder geeignet zu ergänzen als sie weiter zu reduzieren. Ein solcher Anspruch bedeutet, dass die Fächerbeschränkungen und -kürzungen, die im Jahr 2003 mit dem Hochschuloptimierungskonzept (HOK) vollzogen wurden – im HOK 2003 waren insbesondere die Psychologie und die Sozialwissenschaften betroffen –, der letzte Kürzungsschnitt im Hinblick auf die Fächerbreite der Universität Oldenburg gewesen sein müssen. Dieser Anspruch ist angesichts der Finanzierungssituation und der Größe der Universität Oldenburg sehr ambitioniert, wird aber der Tatsache gerecht, dass die Universität Oldenburg der zentrale Forschungsmotor in einer Nordwest-Region ist, die sich sowohl ökonomisch als auch demografisch im Aufwind befindet und daher für ihre Weiterentwicklung unbedingt eine auf breiten Säulen ruhende forschungsorientierte Universität benötigt.

Ein zentraler Aspekt für die Umsetzung ist im Leitbild die Forderung, dass sich die Universität in Zukunft noch stärker der Interdisziplinarität verschreibt. Als mittelgroße Universität spielen wir dadurch die Stärke unserer guten Kommunikationskultur aus und können in Forschungsbereichen eine kritische Masse erreichen, die sonst nur für Großuniversitäten möglich ist. Gelebte Interdisziplinarität war auch in der Vergangenheit in unseren forschungsstarken Bereichen wie der Meeresforschung, der Hörforschung oder in jüngster Zeit bei der engen Kooperation unserer beiden Forschungszentren immer unsere Stärke. Das Leitbild betont, dass wir diese Stärke zunehmend auch auf die Brücke zwischen Geistes- und Naturwissenschaften übertragen müssen.

Uwe Schneidewind am 10. Oktober vor dem Senat.

Ein zweites zentrales Element des Leitbilds ist der Anspruch einer Zukunft als Universität, d.h. der Anspruch, im Rahmen der Ausdifferenzierung der Hochschullandschaft eine Ausbildungsstätte mit hohem Forschungsniveau und damit auch langfristig mit Universitätscharakter zu sein. Aus dieser Forderung ergibt sich eine starke Forschungsbetonung im gesamten Leitbild 2010, die sich u.a. in entsprechenden Eckpunkten, was z.B. den Aufbau von Sonderforschungsbereichen und DFG-Forschergruppen angeht, niederschlägt. (…)

Ein drittes zentrales Element des Leitbilds bezieht sich auf die Binnenstruktur der Universität, d.h. auf ein modernes Führungsverständnis und das Bekenntnis zu einer hohen Beweglichkeit im Universitätsmanagement, die diese Universität seit der Zeit ihrer Gründung ausgezeichnet hat. (…)

In meiner Antrittsrede vom November 2004, die ich unter den Titel „Exzellenz und Authentizität“ gestellt habe, kommt ein weiteres Element zum Tragen: der Anspruch dieser Universität, nicht nur in Reaktion auf die eingangs skizzierten Rahmenbedingungen eine Profilbildungs- und Exzellenzstrategie zu verfolgen, die sich letztlich auf jede andere mittelgroße Universität übertragen lässt, sondern die Reaktion auf die Rahmenbedingungen mit einer Ausrichtung zu verbinden, die an die Wurzeln und die spezifischen Bedingungen der Universität Oldenburg anknüpft.

Dieser Anspruch auf Authentizität ist zu Recht in den letzten drei Jahren immer wieder von vielen Teilen der Universität eingefordert worden in der Sorge darum, dass sich viele der Maßnahmen doch zu stark an einem bundesweiten Standardmuster der Profilbildung orientierten, das genau diese nicht gewollte Austauschbarkeit der Strategie der Universität Oldenburg provoziert.

Authentizität war in meiner Antrittsrede nicht auf bestimmte Felder hin spezifiziert, sondern dort ganz bewusst als Suchprozess konzipiert. Nach drei Jahren scheint es notwendig und möglich, genauer zu definieren, was die spezifisch authentischen Entwicklungslinien des Profilbildungsprozesses der Universität Oldenburg sind.

Wo stehen wir heute?

Wo stehen wir heute vor dem Hintergrund der gerade skizzierten Eckpunkte des Leitbilds und meiner Antrittsrede? (…) Auf der Ebene von Bund und Land war insbesondere durch die Exzellenzinitiative die Ausrichtung des Wissenschaftssystems fast für alle Universitäten in sehr starkem Maße vorgegeben. Auch die Universität Oldenburg hat, offen eingestanden, hier insbesondere auf die Rahmenbedingungen reagiert. Wir haben dies sehr bewusst getan und damit den Anspruch unterstreichen wollen, trotz unseres jungen Alters im Hinblick auf die Qualität unserer Forschung in Schlüsselbereichen bei den besten Universitäten in Deutschland mitspielen zu können. Auch wenn es am Ende nicht zur Bewilligung eines Exzellenzclusters an der Universität Oldenburg gereicht hat, so hat doch das sehr gute Abschneiden in der Exzellenzinitiative insbesondere des Clusters „Hearing and its Disorders“ sehr breite Aufmerksamkeit nicht nur in der Region, sondern auch überregional erzeugt. Die Universität Oldenburg war eine der wenigen mittelgroßen Universitäten, die ein solches Cluster in die zweite Runde des Exzellenzwettbewerbs gebracht hat. Trotz der am Ende nicht gelungenen endgültigen Bewilligung waren das Signal dieser Strategie und die sich hieraus ergebenden Folgewirkungen von zentraler Bedeutung für die Universität. Wir haben damit glaubwürdig den Anspruch ausgesendet, auf hohem Niveau forschungsstarke Universität zu bleiben. (…) Dieses Signal war von hoher Bedeutung für die große Zahl an Berufungsverfahren in den letzten drei Jahren. Über 50 Professuren sind in diesem Zeitraum neu besetzt worden. Viele dieser Professuren hätten nicht so hochkarätig besetzt werden können, wie sie es sind, wenn diese Universität nicht auch nach außen und durch ihre Strategie glaubwürdig den Anspruch unterstrichen hätte, auch in Zukunft forschungsstarke Universität zu bleiben. (…)

Der Forschungsanspruch

Die Entscheidung der EWE und der einstimmige Beschluss des EWE-Aufsichtsrats, an der Universität Oldenburg ein EWE-Forschungszentrum für Energietechnologie aufzubauen und mit einem Betrag zu fördern, der z.B. das E.ON-Engagement an der Universität Aachen in den nächsten Jahren übertrifft, wäre ohne das Vertrauen darauf, dass die Universität Oldenburg künftig eine forschungsstarke Universität bleibt, nicht möglich gewesen. Dabei ist das EWE-Forschungszentrum nur ein Baustein im Aufbau einer sehr viel weitergehenden Infrastruktur außeruniversitärer Forschungseinrichtungen, ohne die sich ein Hochschulstandort mit umfassendem Forschungsanspruch nicht behaupten kann. Die anstehende weitere Aufstockung der OFFIS-Grundförderung durch das Land und die Ansiedlung von zwei Max-Planck-Forschernachwuchsgruppen in der Meeresforschung im nächsten Jahr – die Oldenburg das erste Mal auf der Max-Planck-Landkarte werden erscheinen lassen! – sind zentrale Schritte auf diesem Weg. (...)

Nimmt man diese heute schon konkret realisierten Erfolge zusammen, so zeichnet sich ab, dass wir in der Erreichung der im Leitbild festgelegten forschungsorientierten Eckpunkte in Bezug auf das Drittmittelvolumen, die eingeworbenen Sonderforschungsbereiche bzw. Forschergruppen und Graduiertenkollegs auf einem sehr guten Weg sind, um die 2005 gesetzten ambitionierten Ziele bis 2010 zu erreichen.

Trotz der erfolgreichen Reaktion auf die wissenschaftspolitisch teilweise auf einem verengten Exzellenzverständnis beruhenden Kriterien auf Landes- und Bundesebene haben wir uns als Universität Oldenburg nicht nur auf diese Reaktion beschränkt. Es war uns immer bewusst, dass der Weg der Universität Oldenburg keiner des Kopierens der Muster einer TU München, einer Universität Karlsruhe oder einer Humboldt-Universität in Berlin sein kann. Für die mittelgroßen Universitäten in Deutschland, insbesondere die in den 70er Jahren erfolgten Gründungen, bedarf es anderer Entwicklungsmuster, die ihren besonderen Potenzialen und ihrer Rolle im deutschen Hochschulsystem gerecht werden.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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