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HERBST 2011
schritten. Dabei liefern sie immer noch Betriebsdaten,die eine
imRahmen der Messgenauigkeit unveränderte Qualität in der
Stromproduktion belegen.
Doch wodurch wird überhaupt die Lebensdauer von Photo-
voltaik-Anlagen eingeschränkt? Es sind imWesentlichen zwei
Faktoren: Zum einen können die Halbleitermaterialien wäh-
rend der Betriebszeit ihre Eigenschaften verändern. Diesen
Prozess bezeichnet man als Degradation. Die Degradation ist
abhängig von den Materialien, die jeweils eingesetzt werden.
Bei den Solarzellen des Energielabors wurde Siliziumverwen-
det: ein klassisches Halbleitermetall, das äußerst beständig
ist und seine Eigenschaften kaum verändert. Zum anderen
– und darin liegt die Hauptursache der eingeschränkten Le-
bensdauer – müssen die Solarzellen gegen Umwelteinflüsse
geschützt und mit dem Stromsystem verbunden werden.
Dafür werden Komponentenwie Glasabdeckungen, Rahmen
und Kabelverbindungen genutzt.Sie können korrodieren oder
brechen und bilden daher die eigentlichen Schwachstellen
eines Photovoltaiksystems.
Die Qualität einer älteren Photovoltaik-Anlage lässt sich auf
verschiedeneWeise feststellen.Da ist zunächst einmal die op-
tische Inspektion. Sie liefert erste Aufschlüsse über äußerliche
Alterungserscheinungen. Häufige Schäden sind Korrosion
und Ausbleichung an den Zellen, das so genannte „Brow-
ning“, bei dem sich die Kunststoffeinkapselung als Folge von
UV-Strahlung verfärbt. Auch Blasenbildung und Degradation
beimKunststoff der Einkapselung, Glasbruch und korrodierte
Kabel schaden der Solarzelle.
Erst eine sorgfältige Vermessung im Labor gibt detailliert
Aufschluss über den tatsächlichen Zustand eines Moduls.
Die Solarzellen werden dazu unter exakt definierten Bedin-
gungen wie Höhe und spektrale Verteilung der Einstrahlung
auf die Modulebene sowie die Zelltemperatur untersucht.
Kontinuierliche Messungen der Gesamtleistung des Olden-
burger Energielabors wiesen auf ein – im Vergleich zu den
Herstellerangaben – nach wie vor sehr gutes Betriebsverhal-
ten hin. 2010 wollten es die Wissenschaftler der Abteilung
„Energie- und Halbleiterforschung“ genauer wissen und
entnahmen im November einzelne Module, die sie dann sie
im Labor vermaßen.
Die Ergebnisse waren erstaunlich: Im Rahmen der üblichen
Abweichungen von den Herstellerangaben, die auf einen
kaum realistischen Idealbetrieb abzielen, konnten nach 35
Jahren Betrieb nur ganz geringfügigeVeränderungen bei den
bestimmenden Kenngrößen festgestellt werden. Sowohl der
Kurzschlussstrom als auch die Leerlaufspannung lagen mit
drei Prozent unter den ursprünglichen Werten, während der
Füllfaktor sogar bis zu zwei Prozent darüber lag. DerWirkungs-
grad, die letztlich entscheidende Größe, lag um vier Prozent
unter den vom Hersteller angegebenen Werten.
Trotz der nachwie vor gutenQualität der Photovoltaik-Anlage
in Oldenburg hat der Fortschritt bei der Solarzellenentwick-
lung auch vor ihr nicht halt gemacht. Die aktuell am Markt
verfügbaren PV-Module können mit Wirkungsgraden auf-
warten, die fast doppelt so hoch sind wie die der Module des
Energielabors. Die Kostenseite hat eine noch stürmischere
Entwicklung durchlaufen: Im Laufe der Betriebsdauer sind
die Kosten der photovoltaischen Stromerzeugung um das
Zehnfache gefallen. Und dies ist noch lange nicht das Ende
der Entwicklung. Erhebliche Forschungs- und Entwicklungs-
anstrengungen in Universitäten, Forschungsinstituten und
Industrie werden weiter
Kostensenkungenermög-
lichen und die Photovol-
taik in den kommenden
zehn bis zwanzig Jahren zu einer wettbewerbsfähigen
Energiequelle mit riesigem Potenzial machen – auch unter
nordeuropäischen Einstrahlungsbedingungen.
Die Forschung an der Universität Oldenburg ist auf dieses
Ziel hin ausgerichtet. Sie gilt innovativen Ansätzen der Pho-
tovoltaik, die eine günstige Kostenentwicklung versprechen.
Ein Beispiel sind die Dünnschichtsolarzellen. Durch die Ver-
wendung entsprechender Beschichtungstechnologien und
den sparsamen Einsatz von teurem Halbleitermaterial lassen
sie einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber kristallinen
Siliziumtechnologien erwarten. Hierbei werden neue An-
sätze zu photovoltaischen Zellen auf Basis von neuartigen
organischen Halbleitern und Halbleiternanokristallen mit
etablierten Konzepten, vor allemSolarzellen aus so genannten
Chalkopyrit-Verbindungshalbleitern, kombiniert. Die Aktivi-
täten derWissenschaftler bewegen sich von der Bearbeitung
rein grundlegender Fragestellungen über die Material- und
Bauelemententwicklung bis hin zu anwendungsrelevanten
Fragestellungen der Photovoltaik.
Auf diese Weise treiben die Solarzellen-Forscher gemeinsam
mit den übrigen Oldenburger Energieforschern die Entwick-
lung der Erneuerbaren Energien voran und helfen die Ener-
gieversorgung der Zukunft zu gestalten.
Photovoltaik: „Energiequelle
mit riesigem Potenzial.“
Photovoltaik-Modul AEG-Telefunken TSG MQ 36/0
( Temperatur 25°C)
1976
2011
Nennleistung
10,3 W 9,9 W
Leerlaufspannung 21,0 V
20,3 V
Kurzschlussstrom 685 mA
664 mA
MPP-Spannung
16,6 V
16,6 V
MPP-Strom
630 mA
607 mA
Wirkungsgrad
8,55 %
8,2 %
Gesamtzahl der Module
336
Gesamtleistung
3460 W
Kaum Abweichungen nach 35 Jahren Betrieb: die Herstellerangaben im
Vergleich zu den Oldenburger Messdaten.