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HERBST 2011
Wissen einzusetzen, um neues Wissen zu generieren, es zu
bewerten und zu kommunizieren. Mit diesem Schwenk zur
„Kompetenzorientierung“ gilt auch im Bildungssystem, was
schon imAlten Romgalt:Tempora mutantur et nos mutamur
in illis – Die Umstände ändern sich und wir uns mit ihnen.
Wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der Leh-
rerbildung ist Forschung, die in Oldenburg praxisnah und
theoriegeleitet ausgerichtet ist. Einen wesentlichen Anteil
an der Koordination dieser Forschung übernimmt das Di-
daktische Zentrum, das Zentrum für Lehrerbildung an der
Universität. Doch der eigentliche Motor von Veränderungen
im Schulunterricht können nur die Lehrkräfte selbst sein.
Neben allen formalen Anforderungen müssen sie sich dabei
Herausforderungen ihres Selbstverständnisses stellen. Zum
einenmüssen sie verstehen,dass Unterricht in erster Linie den
Lerner und seine Lernprozesse in den Blick zu nehmen hat.Aus
der fachdidaktischen Forschung ist bekannt, dass Lehrkräfte
ihren Unterricht noch zu stark als Abfolge von Lehrprozessen
organisieren und an der Struktur der Inhalte orientieren. Ins-
besondere in den Naturwissenschaften führt dies dazu, dass
die SchülerInnen das Interesse verlieren, weil die fachliche
Sprache und die aus der Wissenschaft stammende Struktur
des angebotenen Wissens nicht an ihr Denken und ihre In-
teressen angepasst sind. Angehende Lehrkräfte versuchen
zudem, genau so zu unterrichten, wie sie es in ihrer eigenen
Schulzeit erlebt haben;die Didaktik kennt dafür das geflügelte
Wort: „Teachers teach as they were taught − and not as they
were taught to teach.“
Wir brauchen daher eine Weiterentwickung im fachdidak-
tischen Denken von Lehrkräften, einen Perspektivwechsel
weg von einer Lehr-Orientierung des Unterrichts hin zu einer
Lern-Orientierung. Auf diesem Weg müssen Überlegungen
im Vordergrund stehen, welche Anreize SchülerInnen zum
Lernen benötigen, welche Vorstellungen von einem Unter-
richtsthema sie in den Unterricht mitbringen und welche
Lernprozesse sie durchlaufen könnten. Wie Lehrkräfte dies
effektiv in ihrer Unterrichtsgestaltung umsetzen und welche
Sicht sie selbst auf die Lern-Orientierung haben, ist derzeit
Gegenstand der fachdidaktischen und der allgemeindidak-
tischen Forschung, zu der auch die Studentinnen Huff und
Greinert beitragen.
In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Fachdidaktiken
national und international die Vorstellungen und die Lern-
prozesse von SchülerInnen intensiv untersucht. Man weiß
inzwischen viel über die Bedeutung von Lernvorausset-
zungen und einiges
über Lernprozesse,
die angeregt werden
können. Aus der Vor-
stellungsforschung ist
zum Beispiel bekannt, dass es wenig Wirkung hat, von Schü-
lerInnen im Unterricht zu fordern, sie sollten ihre Alltagsvor-
stellungen außer Acht lassen:„Vergesst mal alles,was ihr euch
unter ‚Kraft’ vorstellt, hier erfahrt ihr, was die Physik darunter
versteht“.Diese Forderung wird nicht erfüllt,denn dieVorstel-
lungen sind Interpretationsrahmen, die sich im Alltag oder
in anderen Kontexten gut bewährt haben. Sie werden nur
dann verändert,wenn sich die neuen, die wissenschaftlichen
Vorstellungen als brauchbarer und überzeugender erweisen.
Hier hat die Forschung Vorschläge entwickelt, wie man die
Vorstellungen der SchülerInnen weiterentwickeln und im
Unterricht fruchtbar nutzen kann.
Solche Forschungsergebnisse sind bei Lehrkräften zu wenig
bekannt und fließen nur zögerlich in die Lehrerbildung.Was
für SchülerInnen gilt, gilt auch für Lehrkräfte: Neue Konzepte
werden nur dann übernommen,wenn sie in das vorhandene
Vorstellungssystem passen oder wenn eine Umorientierung
größeren Nutzen bringt. Hierzu bedarf es fachdidaktischer
Grundlagenforschung,die klärt,über welche fachdidaktischen
Vorstellungen Lehrkräfte in unterschiedlichen Fächern verfü-
Der Motor für
Veränderungen im Unterricht
kann nur der Lehrer selbst sein.
Erste Phase der Lehrerbildung: das Studium an der Universität.
First phase of teacher education: studying at the university.