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HERBST 2011
gen, welche subjektiven Überzeugungen und Einstellungen
vorherrschen und wie sie die Prozesse der Unterrichtsstruk-
turierung beeinflussen und steuern.
Im Promotionsprogramm ProfaS der Universität Oldenburg
werden diese Fragen mit Methoden der qualitativen Sozial-
forschung untersucht. 21 DoktorandInnen analysieren derzeit
Prozesse der
Planung und
Strukturierung
von Unterricht
und zeichnen
damit ein differenziertes Bild vom fachdidaktischen Den-
ken von Lehrkräften. Die Fragestellungen reichen von der
Untersuchung erkenntnistheoretischer Vorstellungen von
Lehrkräften über ihre Ideen, wie in den Naturwissenschaften
zu experimentieren ist, bis hin zur Nutzung von Texten im
Deutschunterricht.
Die zweite große Herausforderung für Lehrkräfte besteht
darin, ihre eigene Ausbildung als einen lebenslangen Prozess
zu begreifen, der mit Abschluss des Referendariats nicht be-
endet ist. In Deutschland fehlt es weitgehend an einer Wei-
terbildungskultur, bei der Lehrkräfte es als Gewinn ansehen
(und darin unterstützt werden), sich fachlich und vor allem
fachdidaktisch weiterzubilden. Länder wie die Schweiz, bei
der das Sammeln von Weiterbildungspunkten auch in den
Ferien als selbstverständlich angesehen wird, sind hier gute
Beispiele. Wie können Erstausbildung an der Universität,
Referendariat und Fortbildung für Lehrkräfte als ein konsi-
stentes Angebot aufgefasst werden? Welche Bedingungen
müssen erfüllt sein, damit Angebote in der dritten Phase, der
Praxisphase, als Gewinn wahrgenommen werden? Welche
Fortbildungskonzepte sind erfolgversprechend? Antworten
auf diese Fragen versucht unter anderem das Oldenburger
Fortbildungszentrum der Universität (OFZ) zu finden.
Ein Instrument, mit dem lebenslange Lehrerbildung for-
schungsseitig begleitet wird, sind die Oldenburger Lehr-Lern-
Labore (OLELA). Diese Labore haben zunächst den Zweck zu
erforschen, welche Prozesse beim Experimentieren in den
MINT-Fächern ablaufen. In den letzten zehn Jahren wurden
in Deutschlandmehrere hundert so genannter Schülerlabore
von Industrieunternehmen, Science Centern, Forschungsin-
stitutionen oder Universitäten eingerichtet.Die Idee dabei ist,
dass dort Lernen freier und selbstgesteuerter ablaufen kann
als in der Schule, weil SchülerInnen im Labor motivierter und
interessierter arbeiten. Es gibt allerdings nur wenige belast-
bare Studien, die einen solchen Effekt beim Lernen belegen.
In den Oldenburger Lehr-Lern-Laboren sind für die nächsten
Jahre Forschungen geplant,die Lernprozesse imSchülerlabor
aufschlüsseln und imDetail beschreiben sollen,und zwar nach
Möglichkeit auch in den Geisteswissenschaften.
Mit Hilfe der Lehr-Lern-Labore wird aber auch untersucht,wie
angehende Lehrkräfte SchülerInnen beim Experimentieren
anregen,wie sie die dabei ablaufenden Lernprozesse diagnos-
tizieren undwie sie das Lernen fördern.Untersuchungsmetho-
den wie das teaching experiment in Kombination mit Inter-
views oder Videobeobachtungen kommen hier zum Einsatz.
Von Interesse sind aus Sicht der fachdidaktischen Forschung
die Lernprozesse der Studierenden, die ihre mitgebrachten
Vorstellungen vom Arbeiten und Lernen der SchülerInnen
durch den frühen Kontakt mit ihrer späteren „Zielgruppe“
infrage stellen und teilweise revidieren müssen. In einem
Projekt, in dem Studierende mit Referendaren zusammenar-
beiten, wird dieses Forschungskonzept auf die zweite Phase
der Lehrerbildung ausgedehnt.
Auch für Fortbildungen und deren Erforschung eignet sich der
Einsatz von Lehr-Lern-Laboren, denn hier können Lehrkräfte
einen anderen Zugang zu SchülerInnen als in der Schulpra-
xis bekommen. Zu untersuchen, was Lehrkräfte dabei selbst
lernen, also„professionelles Lernen“ in den Fokus zu nehmen,
stellt eine neue Perspektive für Oldenburg dar. Oldenburger
Projekte wie die„Kontextprojekte“, „Energiebildung“ oder die
Oldenburger Teamforschung haben hier wichtigeVorarbeiten
bei der Erforschung des Lernens von Lehrkräften geleistet.
Christina Huff und Larissa Greinert bereiten das Lehr-Lern-
Labor der Physikdidaktik noch für den nächsten Tag vor. Es
haben sich Viertklässler aus Oldenburg angemeldet, die un-
tersuchenwollen,obWindkraftanlagenmit vier Rotorblättern
effektiver sind als mit drei Blättern und wie man elektrische
Energie mit einer Brennstoffzelle speichern kann. Eine ideale
Chance für Studierende, das Lernen von SchülerInnen und
das eigene Lehren zu beobachten.
Wir brauchen einen Perspektivwechsel
− von der Lehr-Orientierung
zu einer Lern-Orientierung.
Forschen im Bereich Lehrerbildung:
das Didaktische Zentrum der Universität.
Research into teacher education:
the Center of Teacher Education at the university.