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HERBST 2011
EINBLICKE:Herr Kollmeier,was ist so faszinierend ammensch-
lichen Ohr?
KOLLMEIER:Dass es an der Grenze des physikalischMachbaren
funktioniert. Wir können kleinste Auslenkungen von dem
Zehnfachen eines Atomdurchmessers hören, aber auch eine
millionenfach größere Schwingung noch gut verarbeiten.
Wir können Zeitunterschiede zwischen beiden Ohren in der
Größenordnung von zehn Mikrosekunden auflösen – zehn
mal den millionstenTeil einer Sekunde könnenwir ausnutzen!
Das ist unvorstellbar. Und dabei ist noch immer nicht ganz
verstanden,wie das funktioniert – auchwennwir mit unseren
Kollegen aus der Biologie das Rätsel immer weiter entschlüs-
seln. Nein: Es gibt kein technisches System, das es mit dem
menschlichen Ohr in seiner Vielseitigkeit aufnehmen kann.
EINBLICKE: Aber das Ohr ist anfällig für Störungen.Wie versu-
chen Sie, Schwerhörigkeit beizukommen?
KOLLMEIER: Schwerhörigkeit ist ja nicht nur dadurch gekenn-
zeichnet, dassman nichtsmehr hört – das ist nur das Endstadi-
um. Die Beeinträchtigung setzt schon früher bei denVorboten
an. Wennder Betroffene ineiner Situation, indermehrereDinge
gleichzeitig zu hören sind, nur noch Bahnhof versteht.Und ge-
nau auf dieses Problem fokussieren wir uns. Eine Fragestellung
ist hier: Wie verbessernwir ein Schallsignal, so dass dieObjekte
für den Schwerhörigen getrennt wahrnehmbar sind?
EINBLICKE: Damit aus dem Eisbergsalat kein Eisbärsalat wird:
Kann ein Hörgerät die Konzentration auf ein bestimmtes Ob-
jekt denn unterstützten und andere Geräuschquellen einfach
ausblenden?
IM GESPRÄCH
„Forschung und noch mal Forschung“
Eisberg- oder Eisbärsalat? Das menschliche Gehör mitsamt seinen Tücken fasziniert den Oldenburger Hörforscher
Birger Kollmeier. Er ist Sprecher des Exzellenzclusterantrags „Hearing4all“, über den im Juni 2012 in der Endrunde
entschieden wird. Ein Gespräch mit Kollmeier über intelligente Hörgeräte, Nachwuchsförderung im projektierten
Cluster und die Suche nach Mitteln, dem Phänomen der Schwerhörigkeit wissenschaftlich wie technologisch
beizukommen.
Sprachtestverfahren: der Oldenburger Satztest.
Language test: Oldenburg‘s "Sentence Test"
is performed.