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FRÜHJAHR 2012
lineare Perspektive, die komplexen Innovationsprozessen
in Organisationen den Weg bereitet.  Ist die Projektlinie erst
einmal klar definiert,geht der Konzernmit demDilemma von
Regel und Regelverletzung pragmatisch um.
Genau so ergeht es den beiden Projekten: Herr Schmidt
muss nach ein paar Jahren intensivster Forschungsarbeit sein
Projekt aus der Hand geben. Ein großes Expertenteam mit
einem erfahrenen Projektleiter führt es fort. Zu den Details
der Entwicklung, Produktion, zu den klinischen Tests und der
Vermarktung kann Herr Schmidt nicht mehr viel beitragen.
Gewissermaßen aus der Ferne beobachtet er, wie sein Un-
ternehmen seine Idee in organisationale Routinen integriert
und zu einem der strategisch wichtigsten Medikamente des
Konzerns macht.
Die beiden Ingenieure des Transportunternehmens bleiben
etwas enger involviert. Sie haben auch im offiziellen, weiter
fortgeschrittenen Projekt noch Schlüsselrollen inne. Aber
auch hier vergrößert sich das Spektrum der Beteiligten, das
Unternehmen zieht Experten anderer Standorte hinzu und ein
Projektleiter aus der Konzernzentrale übernimmt die Regie.
Die Koordination erfolgt jetzt mit Hilfe von Lastenheften. Sie
definieren die technischen Eigenschaften des Produkts, aber
auch die Zuständigkeiten und die Reihenfolge, in der die
nächsten Schritte zu erfolgen haben. Zu einemüberraschend
hohen Grad prägen Regeln und Routinen den weiteren Inno-
vationsprozess.
Die Unternehmen vermarkten beide Produkte als strategisch
zentral. Dass sie aus eher zufälligen Initiativen Einzelner her-
vorgegangen sind, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Die
Unternehmen aber sind sich dessenwohl bewusst. Siewissen,
dass es für sie keine verlässlichere Innovationsstrategie gibt,
als ihren Mitarbeitern einen gewissen kreativen Freiraum zu
lassen. Dieser geht
im Alltagsgeschäft
oft verloren,so dass
sich die Erfinder ih-
ren Freiraum oft erst erkämpfen müssen. Dass sie das tun, ist
für die Mitarbeiter ebenso wichtig wie für die Unternehmen.
Dabei handelt es sich um eine pragmatische Umgangsform
mit einem theoretisch unlösbaren Dilemma. Aber nur so
können die nächsten kleinen Ideenpflänzchen keimen,
wachsen und gedeihen, bevor sie in die strengen Routinen
der Organisation überführt werden. Daher ist Herr Schmidt
auch rundum zufrieden,dass es nun endlich eine vernünftige
Variante seines Medikaments gibt – und bastelt vermutlich an
der nächsten Idee.
Kreativer Freiraum ist die
verlässlichste Innovationsstrategie.
Teamarbeit:Wenn das Projekt definiert ist, gehen Einzelinitiativen in organi-
sationale Routine über.
Team work: Once the course of the project has been defined, what was an
isolated project becomes part of the organisational routine.