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HERBST 2012
POSI T ION
Die Empörten
Stuttgart 21, Blockupy und tausende Klagen gegen den EU-Rettungsschirm: Die Bürgerproteste nehmen zu, und
immer mehr soziale Bewegungen entstehen. Der Sozialwissenschaftler Andreas Eis versteht das als Antwort auf
eine Krise, die niemand so recht thematisiere: die Legitimationskrise parlamentarischer Demokratie.
Andreas Eis
Etwa 700meist jungeMenschenwerden imMai 2012 auf dem
Weg nach und in Frankfurt am Main in Gewahrsam genom-
men. Straftaten vorwerfen kann man ihnen nicht – lediglich
die vermutete Absicht, an nicht genehmigten Versammlungen
teilzunehmen.
Anlässlich der „Europäischen Aktionstage Blockupy“ inszenie-
ren die Stadt Frankfurt und die hessische Landesregierung den
Ausnahmezustand. Das Protestforum richtet sich gegen Spar-
politik und dieMacht der Banken. Mehr als hundert Organisa-
tionen unterstützen die Bewegung: darunter Jugendverbände
der Gewerkschaften, Friedens- und Umweltgruppen, Arbeits-
loseninitiativen, anarchistische und sozialistische Vereine so-
wie Vertretungen der Studierenden. Entsprechend bunt und
vielfältig sind die geplanten Aktionen: von Blockaden über
Workshops und Konzerte bis hin zu einer Rave-Tanzdemo.
Doch dazu kommt es nicht. Massive staatliche Interventionen
schränken die Grundrechte der potenziellen Teilnehmer ein.
UmBlockaden des Bankenviertels und befürchtete Ausschrei-
tungen einiger Autonomer zu verhindern, werden sämtliche
Veranstaltungen verboten – selbst Vorträge, Lesungen und
Diskussionen. Die Zugänge zum DGB-Haus werden gesperrt,
der Uni-Campus wird abgeriegelt, zahllose Aufenthaltsver-
bote für die gesamte Innenstadt werden verhängt.
Massive Reaktionen also auf eine Protestbewegung, die inNew
York als Occupy Wall Street begann und schnell internationa-
len Zuspruch fand. Solche Bürgerproteste nehmen zu – die
Entstehung neuer sozialer Bewegungen ist auch eine Antwort
auf die tief greifende Legitimationskrise parlamentarischer
Demokratie.
In der Politischen Bildung wird diese Legitimationskrise bis-
lang kaum thematisiert. Nur wenige Sozialwissenschaftler
stellen deren Bedeutung als Lerngelegenheit heraus. In vielen