Seite 16 - Einblicke 56

18
HERBST 2012
EINBLICKE: Herr Gebken, so ziemlich alles, was in Deutsch-
land unter dem Begriff „Mädchenfußball“ läuft, geht auf Ihre
Initiative „MICK-Mädchen kicken mit“ zurück. Haben Sie mit
diesem Erfolg gerechnet?
GEBKEN: Überhaupt nicht. Ich erinneremich noch, wie ichmit
dem Leiter der Integrierten Gesamtschule im Oldenburger
Stadtteil Ohmstede zum ersten Mal zusammensaß. Und wie
das Sofa unter uns eingebrochen ist. Das KulturzentrumRenn-
platz befand sich in einemTrümmerzustand. Wie die gesamte
offene Kultur- und Jugendarbeit der 70er, 80er Jahre. Und die
drei Gemeinwesenarbeiter, die dabei waren, stellten zu recht
fest: Uns nimmt man gar nicht wahr.
EINBLICKE: Genauso wenig wie die sozial benachteiligten
Kinder, um die es Ihnen bereits in der Anfangsphase ging.
GEBKEN: Stimmt. Als ich durch die Oldenburger Rennplatz-
Siedlung fuhr, war ich sehr überrascht, dass es tatsächlich so
einen blinden Fleck gibt. Dort trat die Problemlage ganz offen
zutage. In meiner Wissenschaft fand ich das nicht wieder: Die
Sportwissenschaft und Sportpädagogik haben in den 1990er
Jahren den Lebensraum sozial benachteiligter Kinder nicht
wahrgenommen.
EINBLICKE: Wie entwickelte sich die Initiative?
GEBKEN: 1996 habe ich ein Seminar angeboten: „Sport mit
sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen“. Mit den
Studierenden haben wir eine Analyse der Sportangebote für
Kinder und Jugendliche amRennplatz inOhmstede gemacht.
Das Ergebnis war deprimierend. Es gab null Angebote für
Mädchen und nur ganz wenige Angebote für Jungen.
EINBLICKE: Von Mädchenfußball noch nichts zu sehen?
GEBKEN: Die Spur bildete sich dann über meine Tochter. Wir
haben so eine Art Fußball-AG in der Grundschule Ohmstede
gegründet, und dann wollten plötzlich viele mitspielen. Der
damalige Präsident des Deutschen Fußball Bundes, Dr. Theo
Zwanziger …
EINBLICKE: …mit demSie ein paar Jahre später in Oldenburg
Unsere Gesellschaft hat gewaltige Schätze“
Sozial benachteiligte Kinder sind das Thema von Ulf Gebken. 1996 startete der Sportpädagoge im Oldenburger
Stadtteil Ohmstede ein Mädchenfußballprojekt, das inzwischen in ganz Deutschland Schule macht. Im EINBLICKE-
Interview erklärt Gebken, wie der Erfolg zustande kam, warum das Thema Armut so schwierig zu vermitteln ist
und warum die Wissenschaft bürgernäher agieren muss.
Den Pokal durch die Schule zu tragen, ist ein
großartiger Moment für die Kinder.“
"
Carrying the trophy through the school is a great
moment for the kids."
IM GESPRÄCH