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HERBST 2012
Die Stringtheorie benötigt mehr
als drei Raumdimensionen für
ihre mathematische Konsistenz.
ein tieferes Verständnis von Gravitationsphänomenen im
Rahmen solcher erweiterter Gravitationstheorien erreichen.
Die Untersuchung der Konsequenzen dieser Theorien für die
Eigenschaften der Schwarzen Löcher ist ein zentrales Anliegen
des Graduiertenkollegs. Hierzu konstruierenwir zumeinen die
neuartigen Raum-Zeiten als Lösungen der erweiterten Glei-
chungen. Zum anderen untersuchen wir die Bewegung von
Teilchen und Licht in
diesen Raum-Zeiten,
denn nur diese lassen
uns das Raum-Zeit-
Kontinuumverstehen
undmit den astrophysikalischen Beobachtungen vergleichen.
Beispielsweise hat die Oldenburger Arbeitsgruppe unlängst
gezeigt, dass Schwarze Löcher mit Korrekturen durch die
Stringtheorie einen größeren Drehimpuls aufweisen können
als Schwarze Löcher nach der Kerr-Lösung. Zudemkonnten sie
nachweisen, dass die Zeitdauer eines Umlaufs um ein solches
Schwarzes Loch stark von der Umlaufdauer um ein Kerr-Loch
abweichen kann.
Doch nicht nur astronomische Schwarze Löcher sind für das
Graduiertenkolleg von Interesse. Durch hochenergetische
Kollisionen im Teilchenbeschleuniger LHC des europäischen
Forschungszentrums CERN können in der Zukunft möglicher-
weise mikroskopische Schwarze Löcher erzeugt werden, die
Aufschluss über die Existenz weiterer räumlicher Dimensionen
geben. Würden die Detektoren dort die charakteristischen
Spuren der Schwarzen Löcher aufspüren, dann wäre unser
Weltbild von Grund auf verändert. Die höheren Dimensionen
bieten eine Vielfalt neuer Möglichkeiten für Schwarze Löcher:
Die Ereignishorizonte können nicht nur rund sein, sie können
ringförmig sein. Diese wiederum können Spiralen bilden, so
dass sich eine Vielzahl neuartiger Schwarzer Löcher ergibt, die
wir in unserem Graduiertenkolleg erkunden.
Eineweiterer Schwerpunkt unserer Untersuchungen geht von
der hochaktuellen AdS/CFT-Korrespondenz (anti de Sitter/
konforme Feldtheorie) aus. Der Begriff steht für die Äquiva-
lenz zweier Theorien. Dabei entspricht die eine einer Gravi-
tationstheorie für einen n-dimensionalen Raum. Die andere
entspricht einer Feldtheorie für den Rand dieses Raums und
ist daher von niedrigerer Dimension. Diese Korrespondenz
bietet eine einzigartige Möglichkeit, physikalische Systeme
zu studieren, für die näherungsweise (störungstheoretische)
Berechnungen nicht möglich sind. In der Physik der konden-
siertenMaterie gibt es diverse solcher Systeme, die auch tech-
nologisch von Interesse sind und über deren Eigenschaften
wir etwas erfahren können, indem wir die entsprechenden
dualen“ Schwarze Loch-Raum-Zeiten konstruieren und
untersuchen.
So kann man im Rahmen der AdS/CFT-Korrespondenz Ein-
sichten gewinnen, wie Wärme- und Ladungsströme in einer
Quantenflüssigkeit von Elektronen fließen. Solche Quanten-
flüssigkeiten findet man oberhalb des Phasenübergangs
zur Supraleitung, wenn Elektronen einen quantenkritischen
Zustand bilden. Auch lassen sich mit Hilfe geladener Schwar-
zer Löcher diverse zuvor unerklärte Eigenschaften in Hoch-
temperatur-Supraleitern verstehen. Unsere Untersuchungen
sollenweitere bislang unerklärliche Phänomene physikalischer
Systeme besser verständlichmachen, die für den Energietrans-
port wichtig sind. Damit könnte die Erforschung Schwarzer
Löcher Erkenntnisse erbringen, die auch für unseren Alltag
von Bedeutung sein können.
Welche Geheimnisse birgt der Kosmos? Die Autoren des
Artikels vor der Sternenwarte auf dem Campus Wechloy.
What secrets does the universe conceal? The authors of the
article in front of the observatory at the Wechloy campus.