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Meinhard Tebben

 

6. Februar 1998   39/98

Reinhard Pfennig und sein kunstpädagogisches Konzept

Oldenburg. Drei Jahre nach dem Tode des Künstlers und Kunstpädagogen Reinhard Pfennig ist eine Arbeit über sein kunstpädagogisches Konzept erschienen. Meinhard Tebben, Schüler und langjähriger Mitarbeiter Reinhard Pfennigs, hebt das in den fünfziger und sechziger Jahren entwickelte Konzept wieder ins Bewußtsein und stellt seine historische und aktuelle Bedeutung in einem Buch* heraus, das beim Oldenburger Verlag Isensee erschienen ist. Maßgeblicher Sponsor des Buches ist die Genossenschaftliche VR-Stiftung Volksbanken Raiffeisenbanken. Geprägt von einem Didaktikverständnis, das Theorie und Praxis als Einheit begreift, entwickelte Pfennig eine Didaktik des Kunstunterrichts, die mehr als jede andere durch Praxisnähe gekennzeichnet war.

Meinhard Tebben zeichnet in seinem Buch die Ära Pfennig nach und illustriert anhand von Schülerarbeiten Inhalt und Aufbau des Kunstunterrichts: einerseits die gründliche Vermittlung bildnerischer Fähigkeiten in systematischen Schritten, andererseits die experimentelle Auseinandersetzung mit Material in offenen künstlerischen Prozessen. In diesem Spannungsfeld sollten die Schülerinnen und Schüler durch immer neue "Versuche im Bereich der Kunst" ihre Bilderfahrungen sammeln. Als besondere Leistung wird Pfennigs Ansatz gewürdigt, Schülerinnen und Schülern durch Kunstunterricht zum Verständnis der jeweiligen aktuellen Kunst zu verhelfen.

Selbstkritisch fragt der Autor aber auch danach, welche Auswirkungen ein so verstandener Kunstunterricht hatte. Über viele Jahre verfolgte er den Werdegang ehemaliger Schülerinnen und Schüler und stellte fest, daß er im Regelfall nicht sehr erfolgreich war: "Er bahnte etwas an, was bei den Schülern weder Vergangenheit noch Zukunft hatte; er konnte nicht bildend wirken, weil das, was er bot, nicht in die Lebensgeschichte integriert werden konnte - weder damals noch später." Tebben zieht aus seinen Erfahrungen den Schluß, daß der Unterricht damals die individuellen und sozialen Voraussetzungen des Lernens vernachlässigte und auch die Entfaltungsinteressen der Schüler nicht genügend berücksichtigte.

Die Grundidee Reinhard Pfennigs, Schülerinnen und Schüler durch Kunstunterricht an der aktuellen Kunst teilhaben zu lassen, stellt Tebben aber nicht in Frage. Im Gegenteil, er plädiert nachhaltig dafür, die von Pfennig entwickelten Elemente intensiver "Versuche im Bereich der Kunst" auf gegenwärtige erziehungswissenschaftliche und kunstpädagogische Erkenntnisse zu beziehen und im Hinblick auf die neuen Kunstentwicklungen zu aktualisieren.

Reinhard Pfennig wurde 1914 in Berlin geboren, wo er nach dem Abitur Kunstgeschichte, Freie Kunst und Kunstpädagogik studierte. 1948 kam er als Professor für Kunsterziehung an die Pädagogische Hochschule in Oldenburg, wo er sich in den folgenden Jahren zum führenden deutschen Kunstpädagogen entwickelte. Das mit seinem Namen verbundene Konzept der "Erziehung zum bildnerischen Denken" hatte zum Ziel, die Kinder und Jugendlichen über das Verständnis der Gegenwartskunst zur Teilhabe an der Kunst und Kultur ihrer Zeit zu verhelfen. So umstritten wie die Kunst der fünfziger Jahre (Abstraktion, Informell usw.) war damals auch Pfennigs Ansatz, an dem er allerdings unbeirrt festhielt.

Mit seiner dreifachen Kompetenz als Kunstkenner, Künstler und Kunstlehrer setzte er sich gegen seine Kritiker durch und machte seine Didaktik zusammen mit dem "Kunstpädagogischen Arbeitskreis" zum Standardwerk für den Kunstunterricht der sechziger Jahre, ein Werk, das in seiner Entstehung und Entwicklung der Kunst näher war als jede andere Kunstdidaktik. Als sich aber die Strukturmerkmale der Kunst mit der Pop-art radikal zu verändern begannen, war sein Anspruch, alle neuen künstlerischen Phänomene anhand von Gestaltungsprinzipien für den Kunstunterricht zu erschließen, zunehmend schwerer einzulösen.

*Meinhard Tebben: Das kunstpädagogische Konzept Reinhard Pfennigs. Geschichte und Gegenwart. Oldenburg 1997. Verlag Isensee. 30 DM

(Stand: 19.01.2024)  | 
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