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Mark Pottek

Reto Weiler

 

5. Januar 2000   4/00

Retinsäure - Der Lichtschalter im Auge?

Oldenburg. Ob am Strand im sonnigen Süden, oder bei der Beleuchtung einer Nachttischlampe im Bett: Beim Lesen hat das menschliche Auge normalerweise keine Schwierigkeiten, die Buchstaben zu entziffern, obwohl sich die Beleuchtungsintensitäten um das Milliardenfache unterscheiden können. Dieser immense Unterschied im Lichtangebot, den der Mensch in dieser Dimension nicht wahrnimmt, stellt für NeurobiologInnen eine wissenschaftliche Herausforderung dar. Wie ist es möglich, dass eine solch große Bandbreite in der Beleuchtungsstärke durch Sehzellen, also neuronale Elemente des visuellen Systems, verarbeitet wird, die normalerweise nur einen tausendfachen Intensitätsbereich abdecken können? Der Herausforderung um das Rätsel dieses "Quantensprungs" stellen sich die Oldenburger Wissenschaftler Prof. Dr. Reto Weiler und Dipl.-Biol. Mark Pottek, die in der neuesten Ausgabe des Forschungsmagazins "EINBLICKE" über ihre Arbeiten berichten ("Retinsäure: Der Lichtschalter im Auge?", EINBLICKE Nr. 30, S. 4 - 7).

Die Gesamtheit der Mechanismen, die dazu beitragen, den vollständigen Lichtbereich abzudecken, wird als Adaptation bezeichnet. Wer jedoch dabei allein an die Steuerung der Pupillenweite sowie die Unterteilung der Lichtrezeptoren in zwei Typen von Zellen mit unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit, Stäbchen und Zapfen, denkt, kommt nicht weit. Diese Eigenschaften reichen längst nicht aus, um den riesigen Arbeitsbereich unseres visuellen Systems zu erklären. Auf der Ebene der neuronalen Weiterverarbeitung des Lichtreizes müssen weitere Mechanismen bestehen, die als neuronale Adaptation zusammengefasst werden. Um den Arbeitsbereich des neuronalen Netzes immer so einzustellen, dass er optimal den Lichtverhältnissen entspricht, muss die Netzhaut (Retina) über das Lichtangebot informiert sein. Es muss also eine Art "Lichtschalter" geben, der die Aktivitäten der Nervenzellen im Auge beeinflussen kann.

Obwohl die wissenschaftliche Suche schon lange um diesen Informationsüberbringer kreist, haben die Oldenburger Wissenschaftler erst jetzt ein Molekül untersucht, das eigentlich "nahe liegend" ist, da es im Lichtverarbeitungsprozess quasi als "Abfallprodukt" anfällt: die Retinsäure. Um die hohe biologische Aktivität dieses Stoffes weiß man schon länger. Retinsäure steuert als einer der wichtigsten Faktoren die Embryonalentwicklung bei Wirbeltieren. Das sich chemisch vom Vitamin A ableitende Molekül findet neuerdings auch Verwendung in der Behandlung von Karzinomen und dient in Kosmetika der Faltenvorbeugung. Im Auge entsteht Retinsäure bei der Regeneration des Sehfarbstoffs Rhodopsin. Rhodopsin zerfällt bei Absorption von Licht in zwei Bestandteile: ein Protein und Retinaldehyd. Ein Teil des Retinaldehyds wird zu Retinsäure umgewandelt, während der Rest zur Wiederherstellung von Rhodopsin verwendet wird. Die Konzentration der Retinsäure ist direkt vom Zerfall des Rhodopsins und damit von den eingefallenen Lichtquanten abhängig. Damit erfüllt die Retinsäure eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein Lichtsignal.

Die Arbeiten von Weiler und Pottek konnten auf verschiedenen Ebenen zeigen, dass durch experimentelle Retinsäuregabe in einer dunkeladaptierten Retina die charakteristischen Antworten einer helladaptierten Retina ausgelöst werden können. Auf der strukturellen Ebene z.B. konnte die Ausbildung sogenannter "Spinules", synaptischer Kontakte zwischen Horizontalzellen und Sehzellen, durch die Injektion von Retinsäure nachgewiesen werden. Bekannt ist, dass die Anzahl dieser Fortsätze mit dem Adaptionszustand der Retina korreliert: In der helladaptierten Netzhaut finden sich sehr viele "Spinules", in dunkelangepassten Retinen hingegen kaum.

Auch auf der elektrophysiologischen Ebene hat Retinsäure den Effekt, bei einer dunkeladaptierten Netzhaut die typischen Charakteristika bei den Membranpotentialen hervorzurufen, die gewöhnlich helladaptierte Retinen zeigen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass der mutmaßliche "Lichtschalter" Retinsäure einen Effekt auf die "elektrische Kopplung" zwischen mehreren Hori

(Stand: 19.01.2024)  | 
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