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Antonia Grunenberg

Reinhard Schulz

 

30. Mai 2001   153/01

Die ungarische Philosophin Agnes Heller bei den Karl-Jaspers-Vorlesungen

Oldenburg. Die ungarische Philosophin Prof. Dr. Agnes Heller hält am Mittwoch, 6. Juni 2001, 16.00 Uhr, im Hörsaalgebäude der Universität im Rahmen der "Karl Jaspers Vorlesungen zu Fragen der Zeit II" einen Vortrag, der sich - anders als im Flyer angekündigt - mit "Ethik in der gegenwärtigen Welt" beschäftigt. Die von der Stiftung Niedersachsen geförderte Vorlesungsreihe existiert seit 1990. Sie soll international ausgewiesenen GeisteswissenschaftlerInnen die Gelegenheit geben, ihre Denkansätze und Thesen in Oldenburg vorzustellen.

Die Laudatio auf Agnes Heller hält die Oldenburger Politikwissenschaftlerin und Leiterin des Hannah Arendt Archivs, Prof. Dr. Antonia Grunenberg. Am Donnerstag, 16.00 Uhr, wird Prof. Dr. Rudolf zur Lippe, der Initiator der Japers-Vorlesungen, in der Bibliothek die Diskussion über Hellers Vorlesung moderieren.

Heller war Schülerin und Assistentin des bedeutenden marxistischen Philosophen Georg Lukács in Budapest. 1959 wurde sie wegen "revisionistischer Ideen" von der Universität entlassen und aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Ihrer Rehabilitation 1963 folgte 1968 ihre erneute Suspendierung wegen ihres Protests gegen die Besetzung der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Pakts.

1978 ging sie in den Westen, wo sie bis 1986 Soziologie an der La Trobe University in Melbourne lehrte. Seit 1987 ist sie Hannah-Arendt-Professor of Philosophy an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York. Für ihre politisch-theoretische Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, beispielsweise 1981 mit dem Lessing-Preis der Stadt Hamburg.

Zu den wichtigsten Veröffentlichungen Hellers zählen "Der Mensch in der Renaissance" (1966), "Alltag und Geschichte" (1970), "Hypothese über eine marxistische Theorie der Werte" (1972), "Theorie der Bedürfnisse bei Marx" (1976), "Theorie der Gefühle" (1980), "Biopolitik" (mit Ferenc Fehér; 1995) und "Der Affe auf dem Fahrrad" (1998).

Seit ihrem grandiosen Erstwerk "Der Mensch in der Renaissance" dreht sich das philosophische Denken von Agnes Heller um die obersten Werte Leben und Freiheit, um die Frage, wie das menschliche Naturverhältnis als gesellschaftliches und historisches zu begreifen ist. Die "Wählbarkeit der Geschichte" ist ein hermeneutischer Grundgedanke dieses Buches, das erst siebzehn Jahre später in deutscher Übersetzung erschien. Im Nachwort dieser Ausgabe schreibt sie: "Ich war bereits in "Der Mensch der Renaissance" davon überzeugt, und bin es auch seither, dass alle großen Leistungen der Kultur aus den Bedürfnissen, Konflikten und Problemen des täglichen Lebens hervorgehen". Für Heller hat die philosophische Anthropologie ihren Ursprung in der Renaissance, die durch ein "pluralistisches moralisches Wertsystem" scharf von Antike und Mittelalter geschieden ist. Jede Seite ihrer Autobiographie "Der Affe auf dem Fahrrad" zeichnet die Bedrohungen von Leben und Freiheit in ihrer jüdischen Existenz hautnah und doch ironisch nach. Vor diesem Hintergrund verwundert nicht ihre Klage über die "adiaphorische" (gleichgültige) Philosophie. Ihre Kritik gilt besonders Richard Rorty, der im vergangenen Jahr Gast der Jaspers-Vorlesungen war. Bei ihm sei Philosophie zu einem "Schachspiel, Puzzle oder Kreuzworträtsel, eine(r) rein formale(n) Geisteshaltung von minderer Wichtigkeit und Bedeutung" geschrumpft. Gegen solche interesselose Beliebigkeit setzt Agnes Heller die emphatische Parteinahme für Leben und Freiheit.

Kontakt: Prof. Dr. Reinhard Schulz, Tel.: 0441/798-4402, E-Mail:

(Stand: 19.01.2024)  | 
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