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13. Februar 2004  039/04

Konfrontation mit Sterben und Tod in der Schule

Oldenburg. "Ich weiß ja nicht, was schöner ist: leben oder sterben?" Unversehens konfrontiert mit dieser Frage einer unheilbar kranken zehnjährigen Schülerin sah ihr Lehrer sich außerstande zu antworten. - Im Umgang mit fortschreitend und chronisch erkrankten Kindern und Jugendlichen sind Lehrkräfte extremen Belastungen ausgesetzt und müssen psychisch wie auch körperlich Schwerstarbeit leisten. Zu diesem Ergebnis kam ein ForscherInnenteam des Instituts für Sonderpädagogik, Prävention und Rehabilitation der Universität Oldenburg im Rahmen des soeben abgeschlossenen dreijährigen Forschungsprojekts "Schulpädagogisches Coping angesichts progredient erkrankter Kinder und Jugendlicher" unter Leitung von Prof. Dr. Monika Ortmann.

Die WissenschaftlerInnen haben in niedersächsischen Schulen für SchülerInnen mit Körperbehinderungen die pädagogische Arbeit der dort tätigen Lehrkräfte beobachtet und an allen Sonderschulen für Körperbehinderte Interviews mit LehrerInnen durchgeführt. Bei der Arbeit mit SchülerInnen, die eine begrenzte Lebenserwartung haben, handele es sich, so die Oldenburger ForscherInnen, um eine bislang nur unzureichend beachtete Belastungssituation. Sie könne je nach psychischer und körperlicher Konstitution zu dauerhafter Überforderung führen. Die Konfrontation mit Sterben und Tod reiche bis in den Freizeitbereich und erschwere dringend benötigte Entspannungs- und Erholungsprozesse. Langfristig könne sich dies in schweren beruflichen Identitätskrisen oder psychosomatischen Krankheiten niederschlagen. Ob die Lehrkräfte erkranken, hänge entscheidend von den Bewältigungsmustern ab, mit denen sie die täglichen Anforderungen verarbeiten.

Die vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium geförderte Untersuchung ergab ferner, dass die Lehrkräfte auch bei der Bewertung der schulischen Leistungen von SchülerInnen mit limitierter Lebenserwartung verunsichert sind und oft nicht wissen, wie sie auf Schülerfragen nach Sterben und Tod reagieren sollen. Der Tod eines Kindes sei für MitschülerInnen und LehrerInnen ein schmerzlicher Verlust, der ein pädagogisch schwer umzusetzendes Engagement erfordere.

Ziel der Untersuchung war die Entwicklung von Strategien zur Erweiterung der pädagogischen Bewältigungskompetenz bei der Arbeit mit schwerkranken SchülerInnen und ihren MitschülerInnen. Die Pädagogen benötigen, so die ExpertInnen, dringend fachliche Beratungen, Supervisionen, problemorientierte Gesprächsgruppen oder spezielle Fortbildungen. Es müsse gelingen, über den weitgehend tabuisierten Tod einfühlsam und offen auf eine altersspezifische Weise zu sprechen, wozu die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit unabdingbar gehöre. Doch gehe es nicht nur um eine veränderte Einstellung zu Sterben und Tod, sondern auch um spezifische schulpädagogische Kompetenzen, um Fragen der Leistungsbewertung und Förderung der erkrankten SchülerInnen, des Umgangs mit Verhaltensauffälligkeiten oder der Zusammenarbeit mit den Eltern. Pädagogen, die im Rahmen des Forschungsprojektes an Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen haben, empfanden den Kompetenz- und Wissenszuwachs als außerordentlich hilfreich für ihre schulpädagogische Arbeit.

Kontakt: Prof. Dr. Monika Ortmann, Tel.: 0441/798-3742, E-Mail:
und Sven Jennessen, Tel.: 0441/798-2995, E-Mail:

(Stand: 19.01.2024)  | 
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