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Schmetterlinge und Vögel mit Kompass und Kalender unterwegs

Wie finden Schmetterlinge ihren Weg in das Tausende Kilometer entfernte Winterquartier? Woher wissen junge Zugvögel, in welche Himmelsrichtung sie fliegen müssen - zu einem Ort, an dem sie nie zuvor waren?

Die Langstreckennavigation von Tieren ist ein Phänomen, das die Menschen seit Jahrhunderten fasziniert und auch heute noch viele Fragen offen lässt. Der 30-jährige dänische Biologe Dr. Henrik Mouritsen hat sich der Klärung dieser Fragen verschrieben und leitet die von der VolkswagenStiftung kürzlich an der Universität Oldenburg für fünf Jahre eingerichtete Forschernachwuchsgruppe „Animal navigation“. Das Gesamtvorhaben, das sich in mehrere Teilprojekte gliedert, wird mit 1,24 Millionen € gefördert.

Mouritsens Ziel ist es, durch vielschichtige und interdisziplinäre Forschungsansätze die Mechanismen der Langstreckennavigation von Vögeln und Schmetterlingen zu klären: mathematische Modelle, physikalische und quantenchemische Methoden, Computersimulationen, Verhaltensexperimente sowie histologische und neurobiologische Untersuchungen sollen dabei zum Einsatz kommen. Der in Nordamerika beheimatete Monarch-Schmetterling wird für Mouritsens Untersuchungen eine besondere Rolle spielen, denn sein jährlicher Wanderzyklus gehört zu den beeindruckendsten in der Tierwelt: Im Herbst legen die Tiere eine Strecke von rund 3.500 Kilometern zurück, um in bestimmten Bergregionen Mexikos zu überwintern. Im darauf folgenden Frühjahr führt sie ihr Weg weiter gen Norden nach Texas, wo sie sich fortpflanzen. Im Herbst wandert die inzwischen vierte Generation wieder in die mexikanischen Berge - dorthin, wo ihre Urur-Großeltern überwinterten. Bisher ist weder klar, woher die Tiere wissen, in welche Himmelsrichtung sie fliegen sollen, noch welche Hilfsmittel sie zur Orientierung benutzen. Verhaltensbiologische, psychophysikalische und genetische Untersuchungen in einem speziellen Flugsimulator sollen hier Klarheit bringen.

Dass der Wanderzyklus der Monarch-Schmetterlinge nicht immer reibungslos verläuft, zeigen jüngste Meldungen der mexikanischen Behörden, wonach bis zu 85 Prozent der Falterpopulation einer Frostperiode in den Bergwäldern zum Opfer gefallen ist. „Solche ‚natürlichen Katastrophen‘ kommen immer wieder vor und sind bei Massenpopulationen auch besonders auffällig. Den Fortbestand der Art gefährdet dies aber nicht“, so Mouritsen.

Die Kenntnisse über die Langstreckennavigation von kleinen, nachtwandernden Singvögeln sind vergleichsweise gut. Sie orientieren sich auf ihrem 5000 bis 10.000 Kilometer weiten Weg in ihr Winterquartier mit Hilfe eines Magnetkompasses und anhand der Gestirne. Zumindest die anfängliche Richtung und der Zeitplan der Wanderung werden vererbt. „Die Jungvögel sind im Gegensatz zu den erfahrenen Altvögeln nur mit einem Kompass und einem Kalender ausgestattet, nicht aber mit einer Karte“, erklärt Mouritsen. Neue Erkenntnisse darüber, wie die Vögel das Magnetfeld und die Himmelskörper wahrnehmen und zur Orientierung nutzen, verspricht sich der Wissenschaftler von der Aufzeichnung elektrophysiologischer Aktivitäten einzelner Gehirnzellen. Jene Hirnareale zu identifizieren, die an der Dekodierung der Sternrotation beteiligt sind, könne ein wichtiger Schritt sein.

Die vierköpfige Oldenburger Forschernachwuchsgruppe wird in einem weiteren Teilprojekt versuchen, mit Hilfe der Satellitentelemetrie die Navigationsmechanismen von Seevögeln, wie z. B. des Galapagos Albatross, aufzuklären. Die Vögel, die ausschließlich auf den Galapagosinseln brüten, unternehmen zur Nahrungssuche regelmäßige Flüge zu den Auftriebsgebieten vor der Küste Perus. Dabei legen sie rund 1.300 Kilometer zurück und orientieren sich über einem scheinbar völlig gleichförmigen Ozean. Auch hier versucht Mouritsen das „Wie“ zu klären.

Die Forschungsarbeiten der Nachwuchsgruppe, die auf drei verschiedenen Kontinenten durchgeführt werden, sind stark durch Kooperationen mit internationalen Forschungsgruppen und Institutionen geprägt. Eine enge Zusammenarbeit ist auch mit Prof. Dr. Franz Bairlein, Institut für Vogelforschung, Wilhelmshaven, und der Oldenburger neurobiologischen Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Reto Weiler geplant.

 

 

Kontakt: Dr. Henrik Mouritsen (englischsprachig), Tel.: 0441/798-3081, E-Mail: henrik.mouritsen@uni-oldenburg.de; Prof. Dr. Reto Weiler, Tel.: 0441/798-2581, E-Mail: reto.weiler@uni-oldenburg.de


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