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Leitet er ab oder zieht er an?

Die 250-jährige Geschichte des Blitzableiters

Oldenburg. Im November hat es - zumindest virtuell - geblitzt und gefunkt in Minneapolis, USA. Der Oldenburger Physiker und Wissenschaftshistoriker Dr. Peter Heering war daran nicht ganz unschuldig, hatte er doch gemeinsam mit Kollegen aus Österreich und den USA eine Tagung am "Bakken Library and Museum of Electricity in Life" zur Geschichte und kulturellen Bedeutung des Blitzableiters organisiert. Anlass des wissenschaftlichen Treffens war das 250-jährige Jubiläum der Experimente, die seinerzeit die elektrische Natur von Blitzen nachwiesen und damit zur Entwicklung der ersten Blitzableiter führten.

Nach einer "zündenden" Idee des Amerikaners Benjamin Franklin gelang es 1752 in der Nähe von Paris aus einer aufgestellten Metallstange bei einem aufkommenden Gewitter einige Funken zu ziehen. Die Nachricht verbreitete sich bei den europäischen Wissenschaftlern in Windeseile, handelte es sich doch um den ersten Nachweis der elektrischen Natur von Gewittern. Dies war zwar seit Beginn des 18. Jahrhunderts vermutet worden, einen Beweis gab es aber nicht.

Franklins Überlegungen gingen aber noch einen Schritt weiter: Wenn Gewitter elektrische Erscheinungen sind, dann sollte eine entsprechend aufgestellte Metallstange auch in der Lage sein, einen Blitz ohne Schäden in die Erde abzuleiten. Ein reizvoller Gedanke, wo doch Gewitter Mitte des 18. Jahrhunderts eine permanente Gefährdung vor allem für Kirchtürme und Pulvermagazine darstellten.

Durchsetzen konnten sich die postulierten Blitzableiter zunächst jedoch nicht. Die Naturforscher blieben skeptisch, religiöse Gründe spielten dabei aber kaum eine Rolle, obwohl Blitze als göttliches Strafgericht galten, das der Mensch nicht verhindern dürfe. Wesentlich bedeutsamer war die Frage, ob die Metallstangen überhaupt in der Lage seien, die enormen Mengen Elektrizität eines Blitzes gefahrlos in die Erde abzuleiten. Laborexperimente mit Modellhäusern und elektrischen Funken waren zwar erfolgreich, die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf das Naturphänomen jedoch heftig umstritten.

Kritiker hatten vor allem die Befürchtung, dass die Ableiter Blitze regelrecht anlocken könnten, die dann entweder nicht abgeleitet oder aber in der Nachbarschaft einschlagen würden. So gab es beispielsweise 1780 einen Prozess in Frankreich, in dem Nachbarn gegen die Errichtung eines Blitzableiters vorgingen und zumindest vorübergehend erreichten, dass der Ableiter entfernt wurde. Die eigentlich entscheidende Frage in dem Rechtsstreit aber war, wer denn letztlich das Funktionieren und das Gefährdungspotenzial eines Blitzableiters zu beurteilen habe: Naturforscher oder Juristen.

Auch wenn das prinzipielle Funktionieren eines Blitzableiters bald darauf akzeptiert wurde, blieb die Frage nach der besten Ausführung lange offen: Welcher Bereich wird geschützt und wie viele Blitzableiter sind zum Schutz eines großen Gebäudes erforderlich? Welches Material ist für den Ableiter geeignet? Und vor allem: Wie sollte das Ende des Blitzableiters aussehen?

Franklins Vorschlag, die Metallstange mit einem spitzen Ende zu versehen, löste nach 1770 bei einigen englischen Wissenschaftlern starke Kritik aus. Sie favorisierten vielmehr eine Kugel als Abschluss. Der Streit eskalierte und Benjamin Wilson, stärkster Gegner der Franklin-Ableiter, sorgte dafür, dass 1778 dem englischen König im Pantheon Experimente mit verschiedenen Konstruktionen vorgeführt wurden. Der König sprach sich zwar gegen Franklins Ableiter aus - die Royal Society jedoch dafür. Letztere bezweifelte Wilsons Ergebnisse und propagierte weiterhin Ableiter mit Spitzen. Einer der Hintergründe dieser Auseinandersetzung ist vermutlich Franklins politische Betätigung zum damaligen Zeitpunkt: Er warb in Paris für den Aufstand der nordamerikanischen Kolonien gegen den englischen König.

Die Diskussionen um den "idealen" Blitzableiter endeten keineswegs mit dem 18. Jahrhundert, sie verschoben sich lediglich. Wissenschaftliche Gesellschaften wurden immer wieder aufgefordert, Gutachten zum Blitzschutz abzugeben - vor allem bei militärischen Bauvorhaben. Gleichzeitig sorgte der technische Fortschritt, wie z.B. die Telegrafie, dafür, dass neue Blitzschutz-Vorrichtungen entwickelt wurden. Auch die Frage, wer entsprechende Anlagen errichten darf, bewegte immer wieder die Gemüter, denn es bestand der Wunsch, bestimmte Ausführungen zu patentieren, um sich ein Handelsmonopol zu sichern.

Auch wenn Blitzableiter heute zu unserem Alltag gehören, wird nach wie vor an der Entwicklung des idealen Blitzschutzes gearbeitet. Auch der Streit darüber, wie dieser konstruiert sein muss, ist nicht verebbt: Derzeit beschäftigt sich z.B. die US-Brandschutzbehörde mit einer neu entwickelten Vorrichtung, dem sogenannten "Early Streamer Emission" Blitzableiter. Bisher verweigert die Behörde die Zulassung - sie zweifelt an der Wirksamkeit.

 
Kontakt: Dr. Peter Heering, Fachbereich Physik, Tel.: 0441/798-3464, E-Mail: peter.heering@uni-oldenburg.de