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Natur auf Industriebrachen: Rote-Liste-Arten auf vielen Altstandorten

Industriebrachen zählen in Mitteleuropa zu den artenreichsten Biotoptypen überhaupt. So weist z.B. die Zeche Königsborn in Bönen im Ruhrgebiet mit 582 Pflanzenarten einen höheren Artenreichtum auf als manche deutsche Kleinstadt. Darüber hinaus haben aufgelassene Industrieflächen vielfach eine sehr hohe Zahl von in den Roten Listen als gefährdet eingestuften Farn- und Blütenpflanzen zu verzeichnen. Zu diesen überraschenden Ergebnissen kommt der Landschaftsökologe Dr. Franz Rebele, der seit 1996 an der Universität Oldenburg lehrt, zusammen mit seinem Kollegen Dr. Jörg Dettmar, der bei der Internationalen Bauausstellung Emscher Park für den Emscher Landschaftspark zuständig ist.

Die Ausbeutung und Nutzung natürlicher Ressourcen über viele Jahrzehnte hinweg durch Bergbau und Industrie habe viele Naturräume grundlegend umgestaltet, erläutert Rebele. Zechensterben und Stahlkrise, Strukturwandel und der wirtschaftliche Zusammenbruch in der DDR nach der Wende hätten zur Stillegung vieler Förder- und Produktionsanlagen und zum Verfall oder Abriß industrieller Bauwerke geführt. Zurückgeblieben seien Industriebrachen, die bisher vor allem als vergeudete städtebauliche Ressourcen und Altlast-Standorte betrachtet worden seien. Industriebrachen hätten jedoch viel mehr zu bieten als vergiftete Böden. Aktuelle ökologische und landschaftsplanerische Studien bescheinigten vielen Altstandorten neue Möglichkeiten für die landschaftliche Entwicklung.

Als Beispiel führt Rebele dazu den Landschaftspark Duisburg Nord an, der zur Zeit auf dem ehemaligen Gelände einer Eisenhütte und einer Kohlenzeche entsteht. Statt Abriß und Neugestaltung bleibt hier das Hüttenwerk zusammen mit der sich spontan entwickelnden Natur weitgehend erhalten. Die vielfältigen Aktivitäten auf dem Gelände durch kletternde Alpenvereinsmitglieder, TaucherInnen des örtlichen Clubs und normale BesucherInnen, die den Hochofen besteigen können oder auf stillgelegten Bahntrassen spazierengehen, zeigen, daß das neue Parkkonzept von der Bevölkerung angenommen wird.

Möglich geworden sei dieses Konzept durch eine Neubewertung des Verhältnisses von Industrie und Landschaft, so Rebele, der zusammen mit Dettmar vor kurzem die gemeinsamen Ergebnisse in dem Buch "Industriebrachen - Ökologie und Management"* publiziert hat. Das bisher im Naturschutz und der Landschaftspflege vorherrschende Leitbild sei im wesentlichen industriefeindlich und sähe das Ideal in einer bäuerlich geprägten Kulturlandschaft, wie sie in Mitteleuropa zu Beginn des 19. Jahrhunderts existierte. Die moderne Landwirtschaft und die städtebauliche Entwicklung habe längst dafür gesorgt, daß diese Landschaft fast nirgends mehr existiert. Das Potential, das sich in den Städten und Industrielandschaften biete, werde meist nicht erkannt. Anstatt Konzepte ähnlich dem Duisburger Ansatz zu verfolgen, würden die neu entstandenen Lebensräume häufig wieder vernichtet. Industriebrachen dürften heute jedoch nicht mehr nur als Inbegriff zerstörter Natur gesehen werden, die zu rekultivieren sei.

*Franz Rebele und Jörg Dettmar, Industriebrachen - Ökologie und Management, Verlag Ulmer 1996, Stuttgart, DM 78,-

 

Kontakt: Dr. Franz Rebele, Landschaftsökologie, Fachbereich 7 Biologie, Universität Oldenburg, Tel. 0441/798-2955, e-mail: rebele@biologie.uni-oldenburg.de


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