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UNI-INFO
39. Jrg. 412
A
llgemeinverständlich sprechen
oder schreiben und sich dabei
auch noch kurz fassen – für so man-
che Wissenschaftlerin und manchen
Wissenschaftler ist dies eine echte He-
rausforderung. Gleichzeitig wird die
Fähigkeit, auch Fachfremden gegen-
über das eigene Forschungsthema auf
den Punkt zu bringen, immer wichtiger.
„Ich darf mich aber korrigieren, oder?“
fragt Friederice Pirschel, Doktorandin
der Neurobiologie an der Universität
Oldenburg. Das, worum die 27-Jährige
gerade gebeten wurde, ist keine ganz
leichte Aufgabe: In zwei Sätzen zu er-
klären, wozu sie forscht und was daran
spannend ist. Doch dann fasst Pirschel
das Thema ihrer Dissertation, „Codie-
rung von taktilen Reizen in Neuronen
des Blutegels“, souverän zusammen:
„Es geht darum, zu erforschen, wie ein
Reiz, der auf die Haut trifft, übersetzt
wird. Wir arbeiten in unserer For-
schungsgruppe an Blutegeln, weil sie
sehr präzise auf Druckreize reagieren.“
Zusammenhänge leicht verständ-
lich zu erläutern, gern auch mal zu-
zuspitzen – was für JournalistInnen
zum Berufsalltag gehört, gilt unter
WissenschaftlerInnen mancherorts im-
mer noch als unwissenschaftlich, weiß
Jasmin Döhling-Wölm, Geschäftsfüh-
rerin der Graduiertenakademie an der
Universität. „Wer oft in der Presse auf-
taucht, gilt unter Fachkollegen schnell
als jemand, der seine wissenschaftli-
chen Ideale verkauft“, sagt Döhling-
Wölm. „Manchmal steckt aber auch nur
Neid hinter solchen Urteilen – Neid auf
die Fähigkeit, bei Fachfremden Inte-
resse für das eigene Thema zu wecken
und Financiers für die eigene Forschung
zu finden.“
Angebote der
Graduiertenakademie
„Wissenschaftskommunikation“
ist eines von sieben Qualifizie-
rungsfeldern für Nachwuchs-
wissenschaftlerInnen, zu denen die
Graduiertenakademie der Universi-
tät Oldenburg Workshops anbietet.
In den weiteren Qualifizierungs-
feldern geht es beispielweise um
Karrieregestaltung, Projekt- und
Drittmittelmanagement, Selbst-
präsentation, Führungskompetenz
und unternehmerisches Handeln.
Neben den Workshops gehören
zum Angebot der Graduiertena-
kademie ein Mentoringprogramm
für DoktorandInnen, Coachings
für JuniorprofessorInnen und die
Möglichkeit, unter fachkundiger
Anleitung interdisziplinäre Teams
zu bilden. In Kamingesprächen
mit ExpertInnen aus Wissenschaft,
Wir tschaft und Politik können
NachwuchswissenschaftlerInnen
aus erster Hand Tipps für ihre wei-
tere Karriereplanung erhalten.
www.pe-oe.uni-oldenburg.de/
31067.html
Nimmt an „olwin“, der Akademischen Personalentwicklung für den Oldenburger Wissenschaftlichen Nachwuchs, teil: Friederice Pirschel.
Foto: Daniel Schmidt
Versuch´s mal mit Verständlichkeit
Universität macht junge Forscher fit für die Wissenschaftskommunikation / Graduiertenakademie mit sieben Qualifizierungsfeldern
Diese Fähigkeit könne man lernen –
etwa in den Workshops zur Wissen-
schaftskommunikation, die die Gradu-
iertenakademie für DoktorandInnen,
Postdocs und JuniorprofessorInnen der
Universität Oldenburg anbietet – ein
professionelles Trainingsangebot, das
von der Landessparkasse zu Oldenburg
(LzO) unterstützt wird.
Fachchinesisch weglassen
F
riederice Pirschel hat einen solchen
Workshop besucht. Unter Leitung
eines erfahrenen Wissenschaftsredak-
teurs lernten die TeilnehmerInnen, For-
schungsthemen journalistisch aufzube-
reiten. „Es ging darum, sich auf das We-
sentliche zu konzentrieren: Keine lange
Einleitung, sondern ein flotter Einstieg,
der Interesse weckt – und dann ein Text,
der nicht zu sehr ins Detail geht und
Fachchinesisch weglässt.“ Ihre wich-
tigste Erkenntnis aus dem Kurs: „Ich
nehme dem Forschungsthema nichts
weg, wenn ich es für Außenstehende
etwas vereinfache. Der Blickwinkel ist
einfach ein anderer.“
Raus aus dem Elfenbeinturm
F
riederice Pirschel ist nie ein Fan des
wissenschaftlichen Elfenbeinturms
gewesen: „Ich präsentiere mein Thema
gern und freue mich, wenn ich interes-
sant erklären kann, was ich mache.“ So
hat sie sich – noch als Studentin – im
MINToring-Programm engagiert, in
dem Studierende naturwissenschaftlich
interessierte SchülerInnen bei der Studi-
enwahl beraten. Auch beim Zukunfts-
tag, bei dem Mädchen vermeintliche
Männerberufe kennenlernen können,
und bei der Langen Nacht der Wissen-
schaft war Pirschel zusammen mit ihrer
Arbeitsgruppe vertreten.
„Die Fähigkeit zur Wissenschaftskom-
munikation ist heute ganz klar ein Kar-
rierefaktor, gerade auch für die Forscher-
laufbahn“, sagt Döhling-Wölm. „Ein Po-
dcast etwa, in dem ich meine Forschung
präsentiere, schafft unter Umständen
auch internationale Aufmerksamkeit
und kann mich von anderen Bewerbern
mit ähnlicher Qualifikation abheben.“
Bedingung sei aber unter anderem eine
technisch hohe Qualität – „einfach mal
das Mikrofon hinzuhalten und in der
Endfassung alle Versprecher in dem
Beitrag zu lassen, ist eher peinlich als
nützlich“, betont Döhling-Wölm.
Nicht zu unterschätzen ist auch die zu-
sätzliche Karriereoption Wissenschafts-
journalismus, die sich für Forscher er-
öffnet, die bereits früh gelernt haben,
wie Medien „ticken“. „Vor dem Besuch
des Seminars zur Wissenschaftskom-
munikation hat mich Wissenschafts-
journalismus nicht so gereizt, aber nun
würde ich es als mögliche Alternative
zur Wissenschaft nicht ausschließen“,
sagt Friederice Pirschel. (mb)
P
rof. Dr. Gisela Schulze ist Direktorin
der Graduiertenschule für Gesell-
schafts- und Geisteswissenschaften,
Prof. Dr. Georg Martin Klump leitet
OLTECH. UNI-INFO sprach mit ihnen
über das Erreichte, die Ausrichtung
und ihre Ziele.
UNI-INFO: Frau Schulze, warum
brauchen wir eine Graduiertenschule
für Gesellschafts- und Geisteswissen-
schaften?
SCHULZE: Die Anforderungen an
Doktorandinnen und Doktoranden sind
gestiegen – auch und gerade in den
Geisteswissenschaften. Sie benötigen
auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Be-
ratungs- und Unterstützungsangebote.
Deshalb wird in Deutschland, wie auch
in anderen Ländern, die Etablierung
von Graduiertenschulen zurzeit sehr
gefördert.
UNI-INFO: Mit welchen Aktivitäten
wollen Sie die Promotionsbedingungen
Nicht nur fachlich, auch persönlich qualifizieren
Die Graduiertenschule für Gesellschafts- und Geisteswissenschaften ist gerade gestartet, die Graduiertenschule „Naturwissenschaft
und Technik“ wurde 2009 gegründet. Ein Gespräch mit den beiden Leitern Gisela Schulze und Georg Martin Klump.
für Geisteswissenschaftler verbessern?
SCHULZ E : Wi r
wollen fachlich qua-
lifizieren – zum Bei-
spiel in wissenschaft-
lichen Methoden –,
aber auch in „Soft
Skills“, zum Beispiel
im Zeitmanagement.
Außerdem bauen wir bestehende Bera-
tungsangebote aus. Und wir entwickeln
Angebote für Doktorväter und Doktor-
mütter. Denn auch für sie sind die An-
forderungen in der Betreuung gestiegen.
UNI-INFO: Herr Klump, die Gradu-
iertenschule „Naturwissenschaft und
Technik“ gibt es seit 2009. Wie fällt
Ihre Zwischenbilanz aus?
KLUMP: Die Graduiertenschule hat
sich sehr erfolgreich entwickelt. Aus
dem Europäischen Fonds für regionale
Entwicklung bekommen wir nun auch
Mittel für eine zweite Förderperiode.
Und wir erweitern uns mit zwei neuen
Promotionsstudiengängen – im Be-
reich der Erneuerbaren Energien und
durch das neue DFG Graduiertenkolleg
„Models of Gravity“. Im Augenblick
sind fast 100 Doktorandinnen und
Doktoranden in der Graduiertenschule
eingeschrieben. Die Zahl wird weiter
steigen.
UNI-INFO: Neben Lehrangeboten zur
Vertiefung des Fachwissens bieten Sie
auch Kurse zur persönlichen Entwick-
lung der Doktoranden an, um sie fit für
ihre weitere berufliche Laufbahn zu
machen.
KLUMP: Genau. In
Kursen für „Trans-
ferable Skills“ ver-
mitteln wir Kompe-
tenzen, die wichtig
i n e i nem br e i t en
beruflichen Kontext
sind. So zum Beispiel
Kurse für die „Weiterentwicklung der
wissenschaftlichen Karriere durch For-
schungsförderung und Drittmittelakqui-
se“, „Scientific writing: how to publish
in peer-reviewed journals“ oder „Time
management“.
UNI-INFO: Frau Schulze, auch Sie
möchten mit der Graduiertenschule für
Gesellschafts- und Geisteswissenschaf-
ten die Promovierenden praxisnah auf
den außeruniversitären Arbeitsmarkt
vorbereiten.
SCHULZE: Wir arbeiten dazu eng mit
dem Career Service der Universität zu-
sammen. Es gilt, den Promovierenden
verschiedene Karrierewege aufzuzei-
gen, damit sie ihre optimale Wahl tref-
fen und auch zusätzliche Möglichkeiten
erkennen können, ob in der Industrie,
Wirtschaft, Kultur oder im Gesund-
heitsbereich.
UNI-INFO: Was sind nach der Eröff-
nung der Graduiertenschule für Sie die
nächsten Schritte?
SCHULZE: Wir erheben zunächst den
genauen Angebotsbedarf, sowohl bei
Promovierenden als auch bei den be-
treuenden Professorinnen und Profes-
soren. Bei der Erhebung freuen wir
uns, wenn sich viele beteiligen. Für den
Herbst steht als Meilenstein der erste
„Doktoranden-Tag“ an.
UNI-INFO: Herr Klump, wie ist Ihr
Ausblick für die Graduiertenschule
„Naturwissenschaft und Technik“?
KLUMP: Unser Ziel ist es, bis 2015 die
Zahl der Doktorandinnen und Dokto-
randen in der Graduiertenschule zu
verdoppeln. Das künftige MD/PhD
Programm in der European Medical
School Oldenburg-Groningen soll in
die Graduiertenschule integriert wer-
den – und wird das Angebot für den
wissenschaftlichen Nachwuchs berei-
chern. Und wir möchten uns weiter-
entwickeln in der Internationalisierung
– zum Beispiel durch Doktorandenför-
derung mit Programmen der Europä-
ischen Union.
Interview: Matthias Echterhagen