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Genetische Seitensprünge

(einen ausführlichen Text zum Thema finden Sie hier)

Wem die Kinder ähnlich sehen, ist den meisten Eltern klar. Die Vererbung von Merkmalen auf die nächste Generation, der vertikale Gentransfer, zählt schon lange nicht mehr zu den Geheimnissen der Wissenschaft. Die Biologen Prof. Dr. Wilfried Wackernagel und Dr. Johann de Vries von der Arbeitsgruppe Genetik im Fachbereich Biologie der Universität Oldenburg erforschen "Wandernde Gene", eine weniger bekannte Art des Gentransfers, die sich nicht im Rahmen der Vererbung abspielt. Der horizontale Gentransfer zwischen Lebewesen einer oder völlig unterschiedlicher Arten und Lebensformen, so Wackernagel, bewegt vermutlich seit Anbeginn des Lebens den Motor der Evolution. Es ist anzunehmen, daß er der genetischen Anpassung von Lebewesen an veränderte Umweltbedingungen dient.

Ein Beispiel für die horizontale Verbreitung von Erbinformationen sind die "springenden Gene" (Transposons). Sie können zwischen Individuen einer Generation weitergegeben werden, die sogar verschiedenen Arten angehören können. Sie sind ein Sonderfall mobiler Gene, die sich unabhängig von der klassischen Vererbung ausbreiten. Ein anderes Beispiel sind spezialisierte Bakterien, die Merkmalinformationen auf Pflanzen übertragen, die daraufhin für sie nahrhafte Tumore bilden. Diese und andere Beispiele zeigen, daß eine Weitergabe von Genen zwischen Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Tieren möglich ist. Auch der Mensch besitzt springende Gene.

Die Wege des horizontalen Gentransfers und der Verbreitung von Genen zwischen den Arten sind bislang nur teilweise geklärt. Ein größeres Forschungsprojekt von de Vries und Wackernagel zeigt, daß Bodenbakterien genetisches Material abgestorbener Zellen aufnehmen und so über die Artgrenzen hinaus austauschen können. Milben könnten springende Gene zwischen bestimmten Fruchtfliegenarten übertragen.

De Vries und Wackernagel bewerten die horizontale Wanderung von Genen auf der Grundlage ihrer Forschungen als wichtigen Bestandteil des Lebens, durch die neue Kombinationen von Genen auch über Artgrenzen hinaus erprobt werden können. Auch rekombinante Gene aus gentechnisch erzeugten Nutzpflanzen, die an sich nicht schädlich sind, sind vor diesem Hintergrund zu sehen. Für die Bekämpfung von Bakterien mit Antibiotika allerdings hat sich die epidemieartige Verbreitung von resistenzbildenden Genen geradezu als verhängnisvoll erwiesen. Die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit schließt, wie die Autoren anmerken, auch nicht aus, daß sich Forscher bei der Arbeit mit konzentrierten Präparaten von Krebsgenen quasi genetisch anstecken könnten ein Schicksal, das sie dann mit den tumorbehafteten Pflanzen teilen würden.

 

Kontakt: Prof. Dr. Wilfried Wackernagel, Dr. Johann de Vries, Arbeitsgruppe Genetik, Tel.: 0441/798-3298, e-mail: genetics@biologie.uni-oldenburg.de