Presse & Kommunikation

Flexible Helfer in der Mikro- und Nanowelt

Von Sergej Fatikow

Mikroroboter sind das Ergebnis der wachsenden Forschungsaktivitäten an der Schnittstelle zwischen der Robotik, Informatik und Mikrosystemtechnik (MST). Heute kann die Entwicklung von Mikrorobotern mit mehreren Freiheitsgraden bereits in einer Baugröße von wenigen Kubikzentimetern erfolgen. Die Roboterminiaturisierung hat mehrere Gründe. Roboter, deren Abmessungen besser den Mikrobauteilen angepasst sind, benötigen nur geringen Platz und ermöglichen den Aufbau von kompakten und flexiblen Mikrohandhabungsanlagen. Mindestens genauso wichtig ist, dass kompakte Roboter die Möglichkeiten der sensorischen Überwachung und Steuerung von Roboteraktionen erheblich erweitern. In der Regel ist die Übertragung visueller Information aus dem Arbeitsraum unabdingbar. Berücksichtigt man, dass Roboter ihre Greifer im nur einige Millimeter großen Raum zwischen Lichtmikroskopobjektiv und Bauteil platzieren müssen oder der Roboter selbst in der Vakuumkammer eines Rasterelektronenmikroskops (REM) agieren soll, und dass dabei visuelle Informationen aus verschiedenen Blickwinkeln zur Erschließung der Dreidimensionalität notwendig sind, so wird die Bedeutung der Roboterminiaturisierung offensichtlich. Auch die heute angestrebten - und für die meisten Unternehmen sinnvollen - lokalen Lösungen in der Reinraumtechnik lassen sich viel besser mit miniaturisierten, reinraumtauglichen Robotern erreichen.Die rasante Entwicklung der Nanotechnologie hat in letzter Zeit zu einem weiteren Schub für die Erforschung roboterbasierter Nanohandhabung geführt. In diesem Fall werden kleine Objekte mit Abmaßen im nm-Bereich manipuliert. Zur Verdeutlichung: Ein Durchschnittshaar wächst pro Sekunde um ca. 3 nm. Die Technik der Nanohandhabung befindet sich im Bereich der Grundlagenforschung und hat noch großes Entwicklungspotenzial.

Abb.1: Das Robotersystem zur Nanohandhabung im Rasterelektronenmikroskop (REM).

Seit mehreren Jahren beschäftigt sich die Abteilung für Mikrorobotik und Regelungstechnik (AMiR) an der Universität Oldenburg mit der Entwicklung flexibler Mikro- und Nanorobotersysteme. Die Forschung nahm ihren Anfang in den 90er Jahren an der Fakultät für Informatik der TU Karlsruhe. Dort hat der Autor, zusammen mit seinem „Habilitationsvater“ Prof. Ulrich Rembold, die erste deutsche Mikrorobotik-Forschungsgruppe aufgebaut, um - zusammen mit Kollegen in den USA, Japan und mehreren europäischen Ländern - dieses zu der Zeit exotische Gebiet zu erforschen. Mittlerweile sind Mikro- und Nanorobotik zu einem etablierten und sich rasant entwickelnden Zweig der Robotertechnologie geworden, der sowohl im 6. Forschungsrahmenprogramm der EU als auch bei der Forschungsförderung in allen großen Industriestaaten stark berücksichtigt wird. Besonderer Wert wird auf die Fähigkeit von Mikrorobotern gelegt, feinste Manipulationen mit verschiedenartigen Objekten auf der Mikro- oder Nanometerskala durchzuführen und gleichzeitig größere Distanzen überwinden zu können. Durch die Vereinigung der beiden Eigenschaften, der Mikromanipulationsfähigkeit und der Mobilität, in einem System können sehr flexible, vielseitig einsetzbare Mikroroboter aufgebaut werden. Solche Roboter werden in AMiR für Anwendungen in der Mikrosystemtechnik, der Nanotechnologie, der Biologie/Medizin und der Materialforschung entwickelt. Ein modulares Roboterdesign - mobile Plattform, Manipulator, Greifer - ermöglicht eine einfache Umrüstung der Roboter für unterschiedliche Anwendungen. Sie werden in einer flexiblen Mikrohandhabungsstation eingesetzt, deren Herzstück entweder ein Lichtmikroskop oder ein REM ist.

Liegen die Präzisionsanforderungen im Nanometerbereich, dann ist die Handhabung im REM der einzig mögliche Weg. Die Roboter agieren dabei in der REM-Vakuumkammer. Der hochauflösende Elektronenstrahl des Mikroskops erfasst sowohl Robotergreifer als auch Objekt. Somit kann der Nutzer die Greifbewegungen und auch eventuelle Verformungen des Objekts direkt beobachten. Dabei können u.a. ganz neue Erkenntnisse über das Verhalten von Objekten in der Nanowelt sowie über die Funktionsweise der Roboterwerkzeuge gewonnen werden. Neben der visuellen Rückkopplung ist bei der Mikrohandhabung oft auch die Kraftinformation unentbehrlich. Diese wird in der Regel über einen in den Robotergreifer integrierten Mikrokraftsensor gewonnen.

Abb. 2: Aufbau der mobilen Plattform.


Der Aufbau einer flexiblen mikroroboterbasierten Mikromanipulationsstation, der in AMiR im Rahmen mehrerer nationaler und europäischer Verbundprojekte mit der Industrie verfolgt wird, ist eine disziplinübergreifende Aufgabe und somit eine große Herausforderung für Ingenieure verschiedener Fachrichtungen sowie für Informatiker und Physiker. Das Konzept basiert auf dem Einsatz von in der Regel piezoelektrisch angetriebenen Robotern, die einige Kubikzentimeter groß sind. Die Manipulationen werden mit Hilfe von Bild- und Kraftsensoren geregelt durchgeführt. Der Mensch entsendet quasi den kleinen künstlichen Helfer direkt in den Arbeitsraum und versucht mit ihm, seine eigene begrenzte Manipulationsfähigkeit zu verbessern. Auch mehrere Mikroroboter können in einer solchen Tischstation gleichzeitig tätig sein und entweder im Team arbeiten oder sich auf bestimmte Aufgaben spezialisieren. Die Befehle des Operators werden mit Hilfe eines intelligenten Steuerungssystems an die Roboteraktoren in einer geeigneten Form weitergegeben; der Abstraktionsgrad der Befehle wird durch die Leistungsfähigkeit des Steuerungssystems bestimmt.

Neben dem automatischen Betrieb kann der Nutzer den Roboter über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle auch fernsteuern. In diesem sog. Telemanipulationsmodus ermöglich die Steuerungsschnittstelle neben dem visuellen Einblick ins Innere des Arbeitsraums auch die haptische Wahrnehmung der Handhabungsvorgänge über den simulierten Tastsinn. Nachfolgend werden einige Schwerpunkte der aktuellen Forschungsarbeit in AMiR vorgestellt.

 

Mikroroboter

Alle bisher in AMiR realisierten Mikroroboter sind konzeptionell ähnlich aufgebaut. Sie besitzen eine mobile Plattform, die sich mit drei Freiheitsgraden in der Ebene bewegen kann. Auf der mobilen Plattform wird ein Manipulator montiert, der die Feinpositionierung der Objekte übernimmt und weitere Freiheitsgrade aufweist. Die eigentliche Handhabung von Mikro- und Nanoobjekten wird mit anwendungsspezifischen Endeffektoren, wie beispielsweise Greifern und Spitzen, durchgeführt.

Abb. 3: Roboter mit dem Manipulator für die Mikrohandhabung.

Wesentliche Elemente der mobilen Plattform sind Piezoscheiben, die in drei Bereiche segmentiert sind, so dass die gewünschten Bewegungen erzielbar sind (Abb. 2). Die Plattform wird mit drei Piezoscheiben angetrieben. Jedes Segment ist mit einer Rubinkugel versehen.
Auf den Rubinkugeln - im Zentrum jeder Piezoscheibe - liegt eine Kugel aus Stahl, Saphir o.ä. Diese agiert quasi als ein „Bein“ der Plattform. Wenn die Plattform umgedreht wird, so dass die gesamte Konstruktion auf den Kugelbeinen lagert, kann sie in drei Freiheitsgraden bewegt werden, indem die einzelnen Kugeln zur Rotation angeregt werden.Werden die einzelnen Segmente mit einer elektrischen Spannung versorgt, so verbiegen sie sich aufgrund des inversen piezoelektrischen
Effektes. Wird ein Segment langsam verbogen, wird die Rubinkugel zu einer kleinen Rotation gezwungen. Bei einer anschließenden schnellen Umpolung bewegt sich das entsprechende Piezo ebenfalls sehr schnell in die entgegengesetzte Richtung. Die Stahlkugel kann nun der schnellen Bewegung nicht folgen, da die Trägheitskräfte größer sind als die Reibungskraft zwischen der bewegten Rubinkugel und der Stahlkugel.
Folglich rutscht die Rubinkugel über die Oberfläche der Stahlkugel. Wird daraufhin das angesprochene Segment langsam entspannt, zwingt dieses die Stahlkugel wiederum zu einer kleinen Rotation. Wenn dieser Schritt in einer hohen Frequenz wiederholt wird, sind sehr schnelle Rotationen möglich. Da jede der Stahlkugeln unabhängig voneinander in jede Richtung gedreht werden kann, ist eine freie Bewegung in drei Freiheitsgraden möglich. Die mobile Plattform kann mit einer maximalen Geschwindigkeit von ca. 10 mm/s verfahren werden. Auch größere Massen können bewegt werden. So wurde einer der Plattformprototypen beispielsweise mit 500 g beladen. Dabei wurde die Plattform zwar langsamer, blieb aber gut steuerbar. Einzelne Plattformschritte liegen im Bereich von ca. 110 nm, so dass die Genauigkeit der Plattform sehr hoch ist. Die Feinpositionierung wird von Manipulatoren
übernommen, die auf die mobile Plattform montiert werden. Die Manipulatoren müssen je nach Anwendung eine Präzision bis zu wenigen Nanometern ermöglichen. Im Idealfall ergänzen dabei die Freiheitsgrade des Manipulators die Freiheitsgrade der mobilen Plattform. Der Manipulator des in Abb. 3 dargestellten Roboters ist für die Manipulation von biologischen und mikromechanischen
Objekten ausgelegt.

Es handelt sich dabei um eine Stewart-Plattform. Drei lineare Achsen bewegen eine Manipulatorplatte,
an der ein den Anforderungen entsprechender Endeffektor montiert ist. Jede der linearen Achsen ist ein sog. hybrider Linearantrieb. Ein Elektromotor führt über einen Spindeltrieb eine grobe Vorpositionierung durch, während ein Stapelpiezo die Feinpositionierung übernimmt.

Die Mikrohandhabungsstation

Bei der Steuerung und Regelung von Mikrorobotern geht es darum, ein gewünschtes Verhalten, z.B. die Bewegung eines Mikrowerkzeugs entlang einer gewünschten Trajektorie, zu ermöglichen. Dafür muss das Steuerungssystem ständig aktuelle Informationen über die Position des Mikroroboters erhalten (Abb. 4).

Abb. 4: Steuerungsarchitektur der Mikrohandhabungsstation.

Die zentrale Systemkomponente ist ein REM, in dem Mikroroboter mit ihren Werkzeugen Objekte im Größenbereich von bis zu einigen Nanometern manipulieren. Die Bewegungen und Manipulationen werden von verschiedenen Sensoren überwacht, und die gewonnenen Positionsdaten werden dem Regler zur Verfügung gestellt. Dabei spielen die bildgebenden Sensoren, das REM und CCD-Kameras, die Hauptrolle. Aus den gewonnenen Bildern werden die Positionen der Mikrowerkzeuge und Objekte bestimmt und an den Sensor-Server gesendet. Dieser hat die Aufgabe, die aktuellen Sensordaten zu speichern und an die Komponenten weiterzugeben,
die sie benötigen.

Der Low-Level-Regler benötigt die Daten, um die Mikroroboter mit verstärkten Signalen anzusteuern. Der High-Level-Regler benötigt die Daten, um den Ablauf einer Mikromanipulation zu planen. Überdies werden aktuelle Kraftwerte über eine haptische Schnittstelle an den Benutzer zurückgegeben. Die Mikrohandhabungsstation erlaubt somit erstens die automatisierte Mikromanipulation von Objekten, die über die grafische Benutzerschnittstelle gestartet wird, zweitens die Telemanipulation mit einer Kraftrückkopplung über eine Haptik, und drittens manuelle Mikromanipulation mit Hilfe eines Joysticks und dem Verfolgen der Aktionen am Bildschirm.

Für die Regelung der Position eines mobilen Mikroroboters wird laufend die aktuelle Position mit der gewünschten Position auf einer Trajektorie, d.h. einer Bahnkurve zwischen einer Start- und einer Zielposition, verglichen. Die Genauigkeit der Ansteuerung ist essenziell für die Qualität des gesamten Manipulationsprozesses. Da ein mathematisches Modell des Mikroroboterverhaltens nicht oder nur in einer sehr vereinfachten Form erstellt werden kann, sind klassische Methoden der Roboterregelung
kaum anwendbar. AMiR-Forscher entwickeln daher neuartige Regelungsalgorithmen, die auf der Fuzzy-Logik und den künstlichen neuronalen Netzen basieren.

Bildsensoren

Die Manipulation immer kleinerer Objekte erfordert immer hochauflösendere Sensoren. Das REM bietet eine Auflösung von wenigen Nanometern und ist somit für die Visualisierung kleinster Objekte perfekt geeignet. Seit es Roboter gibt, die mit einer Positioniergenauigkeit im Nanometerbereich agieren können und klein genug sind, um in der Vakuumkammer eines REM untergebracht zu werden, ergeben sich für das REM völlig neue Anwendungsmöglichkeiten. Als Beispiel sind hier die automatische Handhabung von ausgeschnittenen Proben aus Wafern (sog. TEM-Lamellen) und die Manipulation von Kohlenstoff-Nanoröhren zu nennen.

Bisher werden diese Aufgaben manuell durchgeführt, wodurch sehr hohe Kosten und viele Fehler verursacht werden. Eine Automatisierung ist noch nicht möglich, da Standardbildverarbeitungsalgorithmen für eine Echtzeit-Objektverfolgung nicht eingesetzt werden können: Die REM-Bilder sind aufgrund der kurzen Bildeinzugszeiten zu stark verrauscht (Abb. 5).

Abb. 5: REM-Bilder der Spitze (Spitzenradius: 15 nm) eines 17 µm hohen AFM-Auslegers (AFM – atomic force microscope) bei ca. 4000-facher Vergrößerung mit 40 Sekunden Bildeinzugzeit (links) und 90 Millisekunden (rechts).

Folglich ist die Entwicklung von echtzeitfähigen Objektverfolgungs-Algorithmen im REM, die möglichst robust gegen Rauschen sind, einer der Forschungsschwerpunkte in AMiR. Dabei ist es von großer Bedeutung, auch dreidimensionale Prozessinformationen zu bekommen.

Kraftsensoren

Die Kraftmessung spielt in der Mikrorobotik eine wichtige Rolle. Es gibt zahlreiche Anwendungsgebiete, die den Einsatz von Kraftsensoren erfordern. So müssen beispielsweise mikromechanische Bauteile, Glasfasern oder biologische Zellen gegriffen, transportiert und abgelegt werden. Diese Mikroobjekte besitzen geringe Abmessungen und bestehen aus empfindlichen Materialien. Da nur sehr kleine Greifflächen zur Verfügung stehen, kommt es an diesen zu hohem Druck, der schnell die für die jeweiligen Objekte gültigen Grenzwerte überschreiten. AMiR arbeitet aus diesem Grund an der Integration von Kraftsensoren in die Mi-kroroboter. Integration bedeutet einerseits die Integration des Kraftsensors in einen Greifer und andererseits den Anschluss der Kraftsensorik an die Signalverarbeitung. Eingesetzt werden dabei Kraftsensoren aus dem industriellen Umfeld, die für die Mikrohandhabung geeignet sind, oder Sensoren, die in Verbundprojekten zusammen mit Industriepartnern entwickelt werden.

Isolierung von Tumorzellen

Die Mikrosystemtechnik ermöglicht die Herstellung von Bauteilen mit Abmessungen im µm-Bereich. Große Probleme ergeben sich jedoch bei der Montage dieser Objekte zu komplexen Mikrosystemen. Die Systeme bestehen im Allgemeinen aus mehreren Mikrokomponenten, die mittels verschiedener Techniken aus vielfältigen Materialien hergestellt wurden. Bislang existierende Mikromontage-Stationen sind häufig recht groß, auf bestimmte Aufgaben zugeschnitten und stark abhängig von den Erfahrungen und dem Können des Benutzers. Eine vielversprechende Lösung besteht darin, flexible Mikroroboter sowie Werkzeuge zur Mikromanipulation und -montage zu entwickeln und so die bestehenden Limitierungen zu beseitigen.

Auch bei der Handhabung von biologischen Zellen und Gewebe sind Mikroroboter von Nutzen. Beispielsweise sind Tumorzellen und normale Zellen in einer Gewebeprobe vermischt. Die Aufgabe für das Robotersystem kann darin bestehen, automatisch die Tumorzellen zu erkennen, aus dem Gewebe herauszuschneiden und zu einem Analysegerät zu transportieren. Mikroroboter können auch das elektrische Potenzial an Zellen vermessen, um die Reaktion der Zellen auf eine elektrische Anregung zu testen. Hierbei sollen die Zellen am Leben bleiben, was eine extrem genaue Positionierung der Werkzeuge erfordert. Injektionen in eine Zelle oder umgekehrt die Extraktion bestimmter Proben aus dem Inneren einer Zelle stellen weitere Anwendungsmöglichkeiten der Mikrorobotik dar.

Der Roboter in Abb. 3, der mit mikromechanischen Greifern und Saugpipetten ausgestattet ist, ermöglicht erste Erfahrungen für die Biohandhabung, indem Zellimitate unter einem Lichtmikroskop manipuliert wurden (Abb. 6).

Abb. 6: Handhabung von Zellimitaten (in Zusammenarbeit mit NaScaTec GmbH, Kassel).

 

Handhabung von Nanoobjekten

Zur Beobachtung der Nanohandhabung nutzen AMiR-Forscher zwei abteilungseigene Rasterelektronenmikroskope. Neben einer Auflösung im Nanometerbereich wird von den Robotern gefordert, dass sie im REM problemlos eingesetzt werden können. Das heißt, sie müssen vakuumtauglich sein, und im Betrieb dürfen die Roboter keine starken elektromagnetischen Felder emittieren, da diese die elektronenoptische Abbildung im REM verfälschen. Das in Abb. 1 dargestellte Robotersystem wird zz. für die Nanohandhabung im REM eingesetzt. Auf dem Gehäuse des Manipulators sind Gewindebohrungen verteilt, die als mechanische Schnittstellen für verschiedene anwendungsspezifische Endeffektoren genutzt werden. Durch den Einsatz eines piezogetriebenen XY-Tisches kann das Gehäuse relativ zur mobilen Plattform bewegt werden. Die XY-Tische bestehen aus einer funkenerodierten Struktur, die über Festkörpergelenke den relativ kleinen Hub der Stapelpiezos von nur 4 µm auf 95 µm vergrößern. Später wird der XY-Tisch um eine Z-Achse erweitert.Durch verschiedene Kooperationen mit der Industrie und internationalen Forschungsgruppen ist es AMiR-Forschern möglich, den Roboter mit einer Vielzahl von Werkzeugen auszustatten. So wurden Roboter für die Nanohandhabung bisher mit unterschiedlichen miniaturisierten Greifern und AFM-Spitzen ausgerüstet. In Abb. 7 ist dargestellt, wie ein einzelnes Silizium-Nanodrähtchen mit einem Durchmesser von ca. 300 nm manipuliert wird.

Abb. 7: Silizium-Nanodrähtchen im Griff eines elektrostatischen Mikrogreifers (in Zusammenarbeit mit der TU Dänemark, Lyngby).

Materialprüfung im REM

Die Kenntnis der Materialeigenschaften von sehr kleinen Bauteilen ist in der Mikro- und Nanotechnologie von großer Bedeutung, da sich die Materialeigenschaften auf kleinen Längenskalen von denen der Makrowelt deutlich unterscheiden. Dies liegt daran, dass auf kleinen Längenskalen die Oberflächeneigenschaften des Materials dominieren. Notwendig ist also ein Messgerät, das es ermöglicht, die Materialeigenschaften auf kleiner Längenskala zu messen. In AMiR wird zz. ein sog. Indenter entwickelt, mit dem es möglich ist, zwei wichtige Materialkenngrößen, nämlich die Härte und das Elastizitätsmodul, gleichzeitig zu messen. Eine Prüfspitze dringt in die zu messende Oberfläche ein, wobei gleichzeitig die Kraft und die Tiefe gemessen werden müssen. Aus diesen beiden Messgrößen können anschließend die gesuchten Materialeigenschaften bestimmt werden. Das Gerät ist auch im REM einsetzbar. Dadurch kann der Messprozess zum ersten Mal „live“ beobachtet werden. So ist z.B. die Ausbildung von Rissen im Material beim Eindringen des Prüfkörpers oder die Ablösung einer Beschichtung unmittelbar sichtbar. Dies liefert wertvolle Informationen für die Materialwissenschaft.

Mini-Helikopter

Neben den genannten Robotern für die Mikro- und Nanohandhabung werden in AMiR Kleinstflugzeuge, sog. Micro Air Vehicles, für Indoor-Anwendungen entwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Kleinsthelikoptern für Rettungs- und Sicherheitsanwendungen. Eine wichtige Anwendung sind sog. Urban Search and Rescue (USAR)-Einsätze. Denn die Rettung von Verschüttungsopfern nach Erdbeben oder terroristischen Anschlägen birgt eine Vielzahl von Problemen. So darf das Rettungs- bzw. Bergungspersonal einsturzgefährdete Gebäude nicht betreten. Hier können zukünftig fliegende Roboter bei der Lokalisierung und nachfolgender Einsatzplanung wesentlich zur schnellstmöglichen und sicheren Rettung beitragen. Eine weitere Anwendung ist die Unterstützung von stationären Überwachungssystemen in Gebäuden.

 

Der Autor

Prof. Dr.-Ing. Sergej Fatikow studierte Informatik und Elektrotechnik an der Universität Ufa (Russland), wo er 1988 über stochastische Steuerungssysteme und Fuzzy-Regelung promovierte. Von 1988 bis 1990 war er hier Dozent. Anschließend arbeitete er als Leiter der Forschungsgruppe „Mikrorobotik und Mikrohandhabung“ an der Universität Karlsruhe, wo er sich 1999 habilitierte.

Im Jahr 2000 wurde Fatikow auf eine Professur für Regelungs- und Automatisierungstechnik an der Universität Kassel berufen. 2001 nahm er einen Ruf an die Universität Oldenburg an, wo er seitdem die neu gegründete Abteilung für Mikrorobotik und Regelungstechnik leitet. Schwerpunkte seiner Forschung sind die Mikro- und Nanorobotik sowie die Anwendung künstlicher neuronaler Netze und der Fuzzy-Logik für Robotersteuerung.