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UNI-INFO Erstsemester extra
Seit dem 5. Dezember 1973 ist in Olden-
burg nichts mehr, wie es war. An diesem
Tag tritt das vom Niedersächsischen
Landtag beschlossene Gesetz zur Grün-
dung der Universität Oldenburg in Kraft.
Der Schritt sollte das Hochschulsystem
ausweiten – und die damals struktur-
schwache Nordwest-Region stärken.
Ob der Schritt gelingen würde, war vier
Monate später noch nicht abzusehen:
Der Lehrbetrieb beginnt mit zunächst
23 Studiengängen für 2.400 Studierende.
40 Jahre später, im Jahr 2013, sind es
95 Studiengänge – für mehr als 12.000
Studierende. Was genau ist in den vier
Jahrzehnten passiert? Wie ist die Uni-
versität zu dem geworden, was sie heute
ist? Und was sind die Projekte, die Ideen
von morgen?
„Universität Oldenburg – 40 Jahre offen
für neue Wege“: Unter diesemMotto be-
geht die Universität ihren 40. Geburtstag.
Startschuss der Feierlichkeiten bildet ein
Festakt für geladene Gäste im Olden-
burger Schloss – am 5. Dezember dieses
Jahres, genau 40 Jahre nach Universi-
tätsgründung. Bis Ende 2014 werden
zahlreiche öffentliche Veranstaltungen,
Aktionen und Projekte folgen. So stellen
zum Beispiel Wissenschaftler ihre Lieb-
lingsfilme und -bücher vor, es wird einen
Bibliotheksball geben – und in einem
Videowettbewerb produzieren Studie-
rende 120 Sekunden-Videos zum Thema
„Deine Uni wird 40“. Zusammenlaufen
werden diese und alle anderen Projekte
auf einem eigenen Internetportal – unter
anderem mit dem Programm, mit Inter-
views und einer multimedialen Zeitleiste.
Die Uni feiert Geburtstag
Universität wird 40 / Programm mit vielen Veranstaltungen / Internetportal
In einer größeren Runde von Jour-
nalisten und Schriftstellern in Berlin
fiel er kaum auf, dieser eher kleine
Mann mit der leisen Stimme und der
gebeugten Haltung. Aber wenn er
schrieb, wurde sichtbar, was in ihm
steckte.
Carl von Ossietzky (1889-1938),
überzeugter Demokrat und Pazifist,
war 1927 Chefredakteur der links-
intellektuellen Wochenzeitschrift
„Die Weltbühne” geworden und von
den Gegnern der Weimarer Republik
besonders gefürchtet. Es gab kaum
ein politisches Thema der kranken
Republik, das er nicht aufgegriffen
hätte. Dazu gehörten auch seine Ein-
schätzungen der Nazi-Bewegung,
deren Gefahren er früh erkannte
und scharfsinnig analysierte. Kein
Wunder, dass er bereits kurz nach
Hitlers Machtantritt verhaftet und als
„Moorsoldat” imKonzentrationslager
Esterwegen interniert wurde.
Als die Welt auf den Nazi-Gegner auf-
merksam geworden war und ihm 1936
nach großen Aufklärungskampagnen
in Amerika und Europa der Friedens-
nobelpreis zuerkannt wurde, durfte
er das KZ verlassen. Die noch heute
weltweit höchste Auszeichnung konnte
er jedoch nicht entgegen nehmen. Nach
seiner KZ-Haft ließen ihn die Nazis
zusammen mit seiner Frau in einem
kleinen Berliner Sanatorium wohnen.
Dort starb er 1938 – ständig bewacht
von der Gestapo – an den Haftfolgen.
Als 1974 die Universität Oldenburg
gegründet wurde, waren es Studie-
rende, die vorschlugen, die Hoch-
schule nach Carl von Ossietzky zu
benennen. Und sie fanden große Zu-
stimmung innerhalb der Universität.
Die Namensgebung sollte Ausdruck
für das gesellschaftliche Engage-
ment sein, das sich die Universität
auf ihre Fahnen geschrieben hatte.
Als Reformhochschule wollte sie
heraus aus dem Elfenbeinturm und
die Wissenschaften zum Teil der de-
mokratischen Gesellschaft machen.
Mitbestimmung, Projektstudium und
Verantwortung der Wissenschaft für
die gesellschaftliche Entwicklung
waren die heiß diskutierten Themen.
Daraus entwickelte sich einer der
großen Schwerpunkte der Universität,
die Umweltforschung.
Außerhalb der Universität indes stieß
die Namensgebung nicht so schnell
auf ungeteilte Zustimmung. 16 Jahre
brauchte es, bis der Niedersächsische
Landtag den Weg für den Namen Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg
freimachte.
Namensgeber der Uni
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky
„Es geht nirgends bunter zu als auf der
Welt“, verkündete einst Horst Janssen,
Ehrenbürger der Stadt und einer der
berühmtesten Zeichner und Grafiker
Deutschlands. Damit hat das künstle-
rische Enfant terrible, das 1995 starb,
natürlich Recht. Aber es scheint, dass
es in Oldenburg vielleicht noch ein biss-
chen bunter zugeht als im Rest der Welt.
Der Beweis: Ein Streifzug durch das
Kultur- und Freizeitangebot, das Olden-
burg zu einer lebens- und liebenswerten
Stadt macht.
Eine Station der Stadtführung ist der
Schlossplatz. Vis á vis zum Oldenburger
Schloss steht das „Schlaue Haus“ – ein
Haus für dieWissenschaft: Ein denkmal-
geschütztes Bürgerhaus aus dem 16. Jahr-
hundert, das komplett entkernt und um
einen lichtdurchfluteten Neubau erweitert
wurde und im letzten Jahr eröffnete. Die
Idee zum „Wissenschaftshaus“ entstand
während Oldenburgs Jahr als „Stadt der
Wissenschaft“. Der Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft verlieh den Titel
2009 an Oldenburg. Unter dem Leitthe-
ma „Talente, Toleranz und Technologie“
präsentierte sich Oldenburg ein Jahr lang
als „Übermorgenstadt“ und stellte unter
Beweis, dass sie ein attraktiver Wissen-
schaftsstandort ist, der es mit den tradi-
tionellen Universitätsstädten aufnehmen
kann. Heute bietet das „Schlaue Haus“,
das finanziell von der Universität und
der Jade Hochschule getragen wird, fast
täglich allgemeinverständliche Vorträge,
Diskussionen und Veranstaltungen zu
aktuellen Forschungsthemen.Kunst und
Kultur vonÜbermorgen gibt es imOlden-
burger Staatstheater: Das Dreisparten-
Haus genießt einen hervorragenden Ruf.
In der vergangenen Spielzeit zählte es
zu den Häusern mit der höchsten Be-
sucherauslastung in Deutschland. Seine
Tanzcompagnie ist weltbekannt, ihre In-
szenierungen ein Feuerwerk für die Sinne.
Das prächtige Große Haus des Staatsthe-
aters wurde kürzlich renoviert und bietet
so den festlichen Rahmen für Mozarts
„Zauberflöte“ oder Büchners „Dantons
Tod“, die in der kommenden Saison weiter
aufgeführt werden. Außerdem stehen für
die Spielzeit 2013/14 Neuinszenierungen
von Nikolai Gogols „Der Revisor“ oder
Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ auf dem
Spielplan. Ein bisschen lockerer dürfte es
bei „Monty Python’s Spamalot“ zugehen.
Und natürlich darf im Wagner Jahr 2013
Richard Wagners „Tristan und Isolde“
nicht fehlen. Wer eine unbekannte Seite
Oldenburgs entdecken möchte, dem sei
Anton Tschechows „Kirschgarten“ emp-
fohlen, das auf dem Oldenburger Flie-
gerhorst aufgeführt wird. Zudem bietet
das Staatstheater junges, oftmals wildes
Theater im Kleinen Haus und in der Ex-
erzierhalle – vor allem die Stücke des
ebenso talentierten wie durchgeknallten
und wortgewaltigen Hausautors des The-
aters Marc Becker sind zu empfehlen. So
wird in der Spielzeit „Aus der Mitte der
Gesellschaft“ wieder gezeigt. Und wer
wissen möchte, wie Deichkinds „Bück
Dich hoch“ im Theater funktioniert, dem
sei der kunterbunte und leicht anarchi-
stische Liederabend „Marx macht mobil“
ans Herz gelegt. Doch egal für welches
Stück man sich entscheidet – ein Besuch
im Staatstheater lohnt immer.
Mehr Theater gibt es im hof/19 und im
Theater Laboratorium. Letzteres ist mit
seinem Puppentheater und eigenwilligen
Inszenierungen eines der erfolgreichsten
Privattheater in Niedersachsen. Deshalb
empfiehlt es sich dringend, im Vorver-
kauf eine Karte zu erwerben.
Das Literaturbüro Oldenburg schlägt
die Brücke zur modernen Literatur und
veranstaltet neben Lesungen auch Po-
etry-Slams oder spartenübergreifende
Grenzgänge aus Literatur und Musik.
Einer der Höhepunkte ist die jährliche
stattfindende „LiteraTour Nord“, die in
Kooperation mit der Universität durchge-
führt wird. Von Oktober bis Februar lesen
sechs SchriftstellerInnen der deutsch-
sprachigen Gegenwartsliteratur aus ihren
Neuerscheinungen und bewerben sich um
den mit 15.000 Euro dotierten „Preis der
LiteraTour Nord“. In den letzten Jahren
nahmen unter anderemdie spätere Nobel-
preisträgerin Hertha Müller und Autoren
wie Arno Geiger, Helmut Krausser oder
Juli Zeh an der Lesereise durch Nord-
deutschland teil.
Konzerte, Kino, Theater, Kabarett und
Kleinkunst gibt es in der Oldenburger
Kulturetage. Das Team der Kulturetage
organisiert zu Beginn der Sommerferien
den Oldenburger Kultursommer, der die
Innenstadt zur Bühne macht. Das Gan-
ze natürlich „umsonst und draußen“.
Lokale Bands, aber auch Szenegrößen
sind zu Gast in Clubs wie dem Polyester
und der Umbaubar oder dem Alhambra,
einem der größten selbstverwalteten
Aktions- und Kommunikationszentren
in Deutschland.
Das Filmfest Oldenburg lockt immer
im Herbst internationale Filmstars an
und ist somit ein Leckerbissen für Cine-
asten. Es zählt zu den größten Filmfesti-
vals für Independent-Filme in Deutsch-
land, und manch Kritiker hat durchaus
schon den Vergleich zum renommierten
amerikanischen „Sundance-Filmfe-
stival“ gezogen. Das „Go West“-Fe-
stival des Oldenburger Staatstheaters
präsentiert Theaterproduktionen aus
Flandern und den Niederlanden. Und
ganz nebenbei zeigt es, dass man nicht
nur in Oldenburg progressives Theater
beherrscht. Die Partys, die im Rahmen
dieser Festivals stattfinden, sind legen-
Zauberflöte, Schlaue Häuser und Anarchie
Kulturelles Leben in Oldenburg: Ein Streifzug durch die Szene – nicht nur für Neu-Oldenburger
Auf dem aktuellen Spielplan des Staatstheaters: „Aus der Mitte der Gesellschaft“.
där. Sie hätten bestimmt auch Horst
Janssen gefallen.
Ihm zu Ehren errichtete Oldenburg
übrigens das Horst Janssen Museum,
in dem seine wichtigsten Werke und
wechselnde Ausstellungen zu sehen
sind. Ein breites Spektrum aus den
verschiedensten Epochen bietet das
Landesmuseum für Kunst und Kultur-
geschichte. Der Kunstverein Oldenburg
hat sich der modernen Kunst verschrie-
ben, und das Landesmuseum Natur und
Mensch beherbergt Sammlungen zur
Naturkunde, Archäologie und Völker-
kunde. Das Stadtmuseum präsentiert
Exponate der Lokal- und Regionalge-
schichte. Ein absoluter Geheimtipp für
avantgardistische Medienkunst ist das
Edith-Ruß-Haus.
Und wer nach all der Kunst- und Kultur
ein bisschen Erholung braucht, der kann
sie auf einer Radtour ins Grüne bekom-
men. Schließlich ist auch „Grün“ ein
Bestandteil von „Bunt“. (tk)
UNI-BLICKE
Grüner Campus der Universität: Auf seinen Wiesen lässt sich gut ein Vortrag üben – oder einfach nur ausruhen.