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FRÜHJAHR 2013
Tumor im Kreuzfeuer: Wissenschaftler
begutachten die Dosisverteilung der Strahlen.
Tumour under attack: scientists examine the
radiation dose distribution.
Das Ziel: Nebenwirkungen der
Strahlentherapie deutlich reduzieren
Strahlentherapie bedeutet stets eineGratwanderung: Siemuss
die hochenergetischen ionisierenden Strahlen so dosieren,
dass möglichst viel Tumorgewebe zerstört und das gesundes
Gewebe geschont wird. Dazu bedarf es präziser Informationen
über den Tumor und seinen Stoffwechsel. Man gewinnt sie un-
ter anderem in aufwendigenmathematischen Berechnungen
und durch verschiedenste bildgebende Verfahren. Meist sind
es dabei Medizin-Physiker, die die jeweilige Strahlentherapie
planen und in enger Partnerschaft mit denMedizinern zusam-
menarbeiten. Sie habenMethoden entwickelt, mit denen sich
die Ver teilung
der jeweiligen
Strahlendosis vo-
rausberechnen
lässt – in einemdreidimensionalen, computertomographisch
erstellten Modell des Körpers. Diese Methode gehört mittler-
weile zum Standard in jeder Strahlentherapie.
Zur Therapie eignen sich alle Strahlungen, die in der Lage sind,
in den Körper einzudringen und dort einen Teil ihrer Energie
durch Ionisation von Atomen zu deponieren. Als Ionisation
bezeichnetman einen Prozess, bei demein Elektron aus einem
Atom herausgestoßen wird und das Atom als positiv gela-
denes Ion zurückbleibt. Die Atome erhalten auf diese Weise
neue Eigenschaften, die zumBruch vonMolekülbindungen in
der Zelle und zu schweren Schäden in der DNA führen können
– wodurch die Zellen absterben können. Damit das gesunde
Gewebe sich besser erholen kann, verteilt man die gesamte
Strahlendosis in kleine Portionen, so genannte Fraktionen, mit
denen die Patienten in zahlreichen Einzelsitzungen bestrahlt
werden. Im Idealfall verkleinert sich der Tumor stetig, bis er
ganz abstirbt. Das Problem bleibt die Reaktion des gesunden
Gewebes und die damit verbundenen Nebenwirkungen. Sie
setzten der maximal zu verabreichenden Strahlendosis die
Grenzen.
Hier kommt der Linearbeschleuniger zum Einsatz, ohne
den die moderne Krebstherapie nicht denkbar wäre. Er be-
schleunigt Elektronen, bis sie hohe Energien aufbauen, und
bremst sie dann schlagartig ab. Ein Teil der Bewegungsener-
gie verwandelt sich in hochenergetische Röntgenstrahlung,
die dann auf den Patienten gerichtet wird. Damit möglichst
wenig gesundes Gewebe zu Schaden kommt, passt ein am
Linearbeschleuniger angebrachter Lamellenkollimator den
Strahl an den Tumor an. Dieser nimmt den Tumor durch die
Rotation des Bestrahlungsarms aus unterschiedlichen Rich-
tungen regelrecht ins „Kreuzfeuer“.
In den letzten Jahren hat sich die intensitätsmodulierte Strah-
lentherapie (IMRT) in der Praxis durchgesetzt. Sie nutzt Lamel-
lenkollimatoren nicht nur zumAusblocken von Risikoorganen,
sondern auch zur Veränderung der Bestrahlungsintensitäten.
Die Lamellen bewegen sich dabei entweder kontinuierlich
über den zu bestrahlenden Bereich, oder die Strahlen wirken
aus mehreren Richtungen in verschiedensten Feldkonfigu-
rationen darauf ein. In den neuesten Geräten rotieren der
Bestrahlungsarm und die Lamellen dynamisch, so dass sich
nahezu jede rotationssymmetrischeDosisverteilung imKörper
realisieren lässt.
Die neuen Methoden haben die massiven Nebenwirkungen
der Strahlentherapie deutlich reduziert, die noch vor zwanzig
Jahren häufig auftraten. Dennoch bewegen sie sich immer
noch am Limit dessen, was einem gesunden Gewebe zuzu-
muten ist. Kleine Ungenauigkeiten bei der Dosierung können
bei den Patienten völlig unterschiedliche Nebenwirkungen
hervorrufen. Doch es war nur schwer möglich, die Dosis-
verteilung zu messen und zu überprüfen – weshalb viele
Kliniken die intensitätsmodulierte Bestrahlung lange Zeit
nicht anwendeten.
Die gemeinsamvon der Universität Oldenburg und demPius-
Hospital getrageneOldenburger Arbeitsgruppe „Medizinische
Strahlenphysik“ beschäftigt sich damit, hochgenaueMessge-
räte zu entwickeln, die die Dosisverteilung durch intensitäts-
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,...40