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FRÜHJAHR 2013
Zweidimensionale Detektoren auf Basis
von Ionisationskammern entwickelt
modulierte Strahlentherapie im Körper erfassen. Sie setzen
dabei auf die Messung der Strahlendosis in körperähnlichen
Materialien wie etwa Wasser oder Kunststoffe, in denen sie
Detektoren platzieren.
Vor der intensitätsmodulierten Strahlentherapie hat man
vor allem einfache flache und homogene Intensitätsprofile
in den menschlichen Körper eingestrahlt. Bei der Messung
beschränkte man sich in der Regel auf punktförmige De-
tektoren. Das Standardmessgerät dafür ist die Ionisations-
kammer – ein luftgefüllter Hohlraum, in dem die Spannung
zweier Elektroden ein elektrisches Feld erzeugt. Die durch die
Strahlung erzeugten Elektronen werden zu den Elektroden
gezogen und erzeugen dort ein Signal, das Aufschluss über
die Strahlendosis gibt.
Der Fortschritt bei den Bestrahlungstechniken macht Mess-
techniken erforderlich, die komplexere Dosisverteilungen
erfassen können. Zunächst hatte man keine Erfahrung, ob
sich die für relativ einfache Feldformen entwickelten ma-
thematischen Methoden überhaupt auf die komplexen und
dynamischen Techniken der IMRT übertragen ließen. Um die
berechnete Dosisverteilung mit der tatsächlichen im Körper
zu vergleichen, sind exakte, mehrdimensionale Messungen
notwendig.
Gewöhnlich kamen dafür Röntgenfilme zumEinsatz. Doch die
Forschungen der Oldenburger Arbeitsgruppe zeigten, dass sie
den gestiegenen Ansprüchen nicht mehr genügen, weil sie
die Strahlendeposition imKörper nur unzureichend abbilden.
Hinzu kamdie Digitalisierung der Röntgentechnik. Sie hat den
herkömmlichen Röntgenfilmund die dazugehörigen Entwick-
lungsmaschinen verdrängt. Es galt also neue Detektoren zu
entwickeln, die den Fortschritten in der Strahlenforschung
R e c h n u n g
trugen. Die in
der Radiolo-
gie zunächst
eingesetzten digitalen Detektoren sind auch nur von be-
grenztem Nutzen. Einerseits ist die Strahlungsenergie so
hoch, dass diemeist auf CCD-Basis arbeitenden Geräte relativ
schnell zerstört werden. Andererseits lassen die physikalischen
Eigenschaften der Detektoren präzise Dosismessungen nur
mit äußerst hohem Aufwand zu.
Als Alternative haben die Oldenburger Physiker gemeinsam
mit Wissenschaftlern der Freiburger Physikalisch-Technischen
Werkstätten (PTW) zweidimensionale Detektoren auf der Basis
von Ionisationskammern entwickelt. Bei diesen Detektoren
sind die Ionisationskammern in einer Ebene angeordnet –
ähnlich wie Pixel bei einer Digitalkamera. Die Detektoren sind
deutlich größer als die einzelnen Pixel beispielsweise eines
CCD-Chips. Doch wie groß dürfen die Detektoren sein, und
wie viele braucht man für einen präzisen Vergleich zwischen
vorherberechneter und tatsächlicher Dosisverteilung?
Die Antwort fanden die Physiker in der mehrdimensionalen
Signalverarbeitung. Um dieses Verfahren praktisch umzuset-
zen, mussten sie zunächst die mathematische Beschreibung
der Dosisdeposition anpassen und auf die Messverfahren
anwenden. Nur so konnten sie die notwendige und opti-
male Anzahl der Kammern und deren Größe abschätzen. Für
die Praxis realisierten sie zunächst einen Detektor mit etwa
1.000 Messkammern. Er erlaubt es für die meisten klinischen
Anwendungen, die Dosisverteilung ausreichend genau zu
überprüfen.
Nach anfänglicher Skepsis bei Physikern und Medizinern hat
sich die Bauform dieser Kammer-Arrays inzwischen weltweit
durchgesetzt. In den vergangenen Jahren haben auch andere
Arbeitsgruppen die Ergebnisse der Oldenburger und Freibur-
ger Wissenschaftler bestätigt und Detektoren nach ihrem
Prinzip entwickelt. Heute dürfte sich in jeder strahlenthera-
peutischen Einrichtung, die intensitätsmodulierten Techniken
anbietet, ein solches Detektor-Array finden.
Doch das war erst der Anfang: Theoretische Analysen des
Strahlungstransports immenschlichen Körper konnten nach-
weisen, dass es einen minimalen Wert für die Detektorgröße
und den Abstand zum Patienten gibt. Dieser liegt im Bereich
von jeweils zweieinhalbMillimetern. Darunter lässt sichwegen
der Wechselwirkung zwischen Strahlung undMateriemit den
üblicherweise verwendeten Photonenstrahlen – auch theo-
retisch – keine Verbesserung erreichen. In der Praxis erhöhen
sich die Ungenauigkeiten und liegen im Bereich von etwa
fünf Millimetern. Ionenstrahlen könnten eine noch präzisere
Bestrahlung ermöglichen. Ihre Erforschung steckt aber noch
in den Kinderschuhen und ist vom klinischen Routineeinsatz
weit entfernt.
Die Oldenburger Wissenschaftler und ihre Partner konzen-
trieren sich deshalb auf einen Detektor-Array, der an der
minimalen Auflösungsgrenze arbeitet. Luft kommt wegen
des geringen Volumens der Kammern nicht mehr als De-
tektionsmedium in Betracht. An die Stelle treten elektrisch
nicht leitende Flüssigkeiten, etwa Isooktan. Aufgrund der
unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der Flüs-
sigkeiten ergeben sich hier neue Herausforderungen an die
Medizinische Physik. Somuss die Anzahl der Kammern bei den
Geräten der Zukunft auf deutlich über 1000 ansteigen – das
wiederumerfordert eine signaltheoretische Optimierung der
Anordnung auf dem Array.
Im Rahmen einer Kooperation mit Partnern der Ashland
Inc. in Wayne, New Jersey (USA) forschen die Oldenburger
Wissenschaftler außerdem an Monomeren. Die Monomere
bilden nach Absorption der Strahlung Polymere, die eine an-
dere Lichtabsorption aufweisen. Werden dieseMonomere auf
eine dünne filmähnliche Basis gebracht, so ergibt sich durch
die veränderte Lichtabsorption eine Art „Schwärzung“. Da die
Größe dieser Monomere nur im Bereich einiger Mikrometer
liegt, ist es prinzipiell möglich, die Auflösung der Messungen
fast beliebig zu steigern. Die physikalischen Eigenschaften
dieser Prozesse und deren dosimetrische Anwendbarkeit
sind Thema verschiedenster weltweiter Untersuchungen mit
Beteiligung der Oldenburger Medizin-Physik.
Alle diese Bemühungen haben dabei letztendlich das Ziel, die
Übereinstimmung zwischen berechneter und applizierter Do-
sis zu optimieren, umhierdurch eineweitere Verbesserung der
strahlentherapeutischen Techniken zu erreichen. Um dies zu
gewährleisten, arbeiten in der Strahlentherapie PhysikerInnen
undMedizinerInnen so eng zusammenwie wahrscheinlich in
keinem anderen Bereich der modernen Medizin.
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