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FRÜHJAHR 2013
EINBLICKE: Herr Bormuth, die Bibliothek von Karl Jaspers hat im
Oldenburger Jaspers-Haus ihre neue Heimat gefunden, auch
Sie arbeiten dort. Wie sind die ersten Eindrücke?
BORMUTH: Es ist aufregend, mit dieser Bibliothek zu for-
schen. So konnte ich schon Jaspers´ Hölderlin-Deutungen
ideengeschichtlich gleichsam bis zum Ursprung verfolgen.
Seine Anstreichungen und Kommentare in den Gedichten
lassen ahnen, wie er den philosophierenden Dichter verstand.
Nun sollen jüngere wie erfahrene Forscher die Möglichkeit
bekommen, in Oldenburg an den Quellen von Jaspers´ Werk
zu forschen.
EINBLICKE: Im Dachgeschoss des Hauses gibt es bereits zwei
Wohnungen für sogenannte „Jaspers-Fellows“ – die dann
beispielsweise an Vortragsabenden ihre Forschungen der
Öffentlichkeit vorstellen?
BORMUTH: So ist es von der gerade gegründeten Jaspers-Ge-
sellschaft gedacht. Wir hoffen, die notwendigen Mittel durch
Spenden einwerben zu können. Grundsätzlich möchten wir
im Jaspers-Haus das Gespräch über Fragestellungen anregen,
die an Jaspers orientiert zwischen den Disziplinen liegen und
die auch für das weitere Publikum von Interesse sind. Dazu
müssenwir Formate entwickeln, die sachlich verständlich und
spannend sind. Auch hier steht Jaspers Pate: Er selbst hat so
klar und anregend gedacht, dass sogar Funk und Fernsehen
auf ihn zukamen.
EINBLICKE: Wie wollen Sie das erreichen?
BORMUTH: Nun, wir möchtenmit der Zeit Vorträge, Tagungen
und Publikationen bieten, die den Dialog der Wissenschaften
in die Öffentlichkeit tragen. Gemeinsammit dem Deutschen
Literaturarchiv in Marbach überlegen wir: Wie kann man im
Vorraum der Bibliothek die Besucher, vor allem Schüler- und
Studentengruppen, möglichst interaktiv an die Bücher und
Biographie von Jaspers heranführen?Was die Vortragsabende
angeht, so ist geplant, fundierte Querdenker einzuladen,
Schriftsteller, Wissenschaftler oder Essayisten, die der Gesell-
schaft etwas unzeitgemäß Gehaltvolles und Provozierendes
Die Grenzen des Wissens vor Augen führen
Was bleibt von Karl Jaspers? Der Anspruch, über Disziplinen hinweg zu denken und Wissensperspektiven miteinander
zu verknüpfen, so der Oldenburger Ideenhistoriker Matthias Bormuth. Im Interview spricht Bormuth über die Pläne
der Karl-Jaspers-Gesellschaft, Jaspers´ Blick von außen auf die Wissenschaft – und warum ein solcher Blick auch heute
noch lohnt.
IM GESPRÄCH
Arbeiten mit der Jaspers-Bibliothek: „In welchem
imaginären Raum befinden wir uns, wenn wir denken?“
Working with the Jaspers library: “What imaginary space
do we find ourselves in when we think?”
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