10
FRÜHJAHR 2013
als wüchse weltweit gesehen die Mehrzahl aller CAM-Arten
epiphytisch auf Bäumen.
Durch unsere Forschungen konntenwir zeigen, dass wir wohl
unser bisheriges Bild der „typischen“ CAM-Pflanze, einer ter-
restrischen Kaktee, ersetzenmüssen: durch das einer dickblätt-
rigenOrchidee, die auf einemtropischenUrwaldriesenwächst.
Was ist nun der Trick bei CAM-Pflanzen? Normale Pflanzen
müssen ihre Blattporen, die „Spaltöffnungen“, tagsüber weit
offen halten, um das in der Luft vorhandene Kohlendioxid
(CO
2
) aufnehmen zu können, welches in dem Prozess der
Photosynthese mithilfe von Sonnenenergie in Zucker umge-
wandelt wird. Dieser Prozess ist fundamental für pflanzliches
Leben und damit auch Grundlage allen anderen Lebens auf
unserer Erde. Die Öffnung der Blattporen hat allerdings auch
einen Preis: Die Pflanzen verlieren unweigerlich viel Wasser.
Wasserverlust könnte natürlich vermieden werden, wenn die
Blattporen geschlossen blieben. Dann aber könnte sich die
Pflanzen nicht ernähren. Es geht also umdiewenig attraktiven
Alternativen „Verhungern“ oder „Verdursten“.
CAM-Pflanzen haben nun dieses Dilemma der Pflanzen
regenarmer Standorte elegant gelöst. Sie öffnen ihre Poren
nachts, wenn wegen der höheren Luftfeuchte wesentlich
weniger Wasser verloren geht, speichern CO
2
in Form einer
organischen Säure, und
nutzen diesen Speicher
dann tagsüber, umtrotz
geschlossener Poren
ganz normal Photosynthese betreiben zu können. Dies ver-
ringert den Wasserverlust um den Faktor 10 bis 100 gegen-
über normalen Pflanzen – eine von vielen Anpassungen an
Trockenheit, die allein schon die Bezeichnung von der „Wüste
im Regenwald“ rechtfertigt.
Welche Zukunft haben nun diese an regelmäßige Trockenheit
angepasstenPflanzen ineiner immermehr vomMenschendo-
miniertenWelt? Trotz fortschreitender Tropenwaldzerstörung
können wir hoffen, dass sich auch in Zukunft ausgedehnte
Waldgebiete erhalten lassen. Bieten diese aber auch den
geeigneten Lebensraum? Dies ist leider keineswegs sicher, da
der Klimawandel dafür sorgt, dass zum Beispiel selbst in den
entferntesten Winkeln der Erde Wetterextreme zunehmen.
Für weniger gut an Trockenheit angepasste Arten könnte aber
schon eine außergewöhnliche Dürre wie die 2010 imAmazo-
nasgebiet beobachtete das Aus bedeuten. Ob dies eventuell
schon passiert ist, weiß jedoch niemand, da entsprechende
Langzeituntersuchungen fehlen. Angesichts der großflä-
chigen Umwandlung von Primärwäldern in Agrarflächen
stellt sich auch der Wissenschaft immer mehr die Frage, was
mit Flora und Fauna in der Sekundärvegetation passiert, also
in spontan aufkommenden neuen Wäldern, Baumplantagen
oder einzelstehenden Bäumen, die (noch) zahlreich auf den
Weiden Lateinamerikas zu finden sind. Lockere Sekundärwäl-
der und, noch ausgeprägter, einzelstehende Bäume bieten
wesentlich trockenere Wuchsbedingungen für Epiphyten als
natürliche Wälder.
Eine Reihe von Untersuchungen meiner Arbeitsgruppe wie
auch von Kollegen aus der ganzen Welt hat nun gezeigt, dass
sichdie Epiphytengemeinschaftendort deutlich vondenen im
ungestörtenWald unterscheiden. So zeigen die Ergebnisse ei-
ner vor wenigen Jahren imTiefland Panamas durchgeführten
Diplomarbeit, dass Arten, die an eher feuchten Stellen des
Waldes vorkommen, weitgehend ausfallen, während sich nor-
malerweise exponiert wachsende Arten teilweise sogar besser
entwickeln als imnatürlichen Habitat. Dies gilt in besonderem
Maße für die Arten mit CAM. Insgesamt kommt es jedoch zu
einer teilweise drastischen Reduzierung des Artenreichtums.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich diesemit der Zeit noch
verschlimmert.
Ob dies wirklich so ist, wird imMoment in Oldenburg in einer
vom DAAD geförderten Dissertation untersucht. Angesichts
dessen, dass ein bedeutender Teil der in den Baumkronen
lebenden Fauna von diesen Epiphyten abhängt, sollte schon
der jetzige Verlust kaskadenartig zu entsprechenden Verlusten
in der Tierwelt führen. Keine guten Aussichten also für die
Bewohner der „Wüste im Regenwald“.
Besonderer Photosyntheseweg
der Epiphyten
Epiphytenforscher Gerhard Zotz: „Welche Zukunft haben die an Trockenheit angepassten Pflanzen?“
Epiphyte researcher Gerhard Zotz: "What does the future hold for these plants that have adapted to
extremely arid conditions?"
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...40